David Oswald Vorwort und Einführung
Die auf dieser Website gesammelten Texte wurden um das Jahr 2014 geschrieben und 2015 in einem Sammelband in kleiner Auflage veröffentlicht. Die Entstehungsgeschichte dieses mittlerweile vergriffenen Buches können Sie weiter unten lesen, im Vorwort zur Erstausgabe. Bereits kurz nach Erscheinen des Buches gab es Stimmen, die darüber klagten, dass das Buch ausschließlich in deutscher Sprache verfügbar ist. Dass eine englisch- und auch spanischsprachige Veröffentlichung sinnvoll wäre, leuchtete uns sofort ein, jedoch war es uns damals unmöglich, die Übersetzungsarbeit zu leisten bzw. zu finanzieren. So wichtig das Thema und der Inhalt aus unserer Sicht ist und war, es bleibt ein Nischenthema, mit dem für Buchverlage kaum Geld zu verdienen ist.
Einige Beiträge, bei denen es die Nutzungsrechte erlaubten, sind schon seit längerer Zeit online verfügbar. Ebenso ein englischsprachiger Journal-Artikel, der auf unserem Text zur Geschichte der Abteilung basiert. Die Downloadzahlen dieser Artikel zeugen von internationalem Interesse, vor allem aus Lateinamerika. Mein erster kurzer Konferenzbeitrag zum Thema „Abteilung Information“ von 2012, war bisher als einziger Text zu diesem Thema auch auf Spanisch verfügbar (dankenswerterweise übersetzt von Eugenio Vega) – bis heute ist es der Text mit den höchsten Klick- und Downloadzahlen.
In den letzten Jahren bestärkten mich Gespräche auf Reisen in Argentinien und Chile darin, unsere damalige Arbeit besser verfügbar zu machen. Ende 2022 löste sich der „club off ulm e.V.“, ursprünglicher Initiator der Rückblicke-Reihe, aus Altersgründen auf. Fast gleichzeitig wurde ChatGPT zur öffentlichen Nutzung freigegeben, eine sprachbasierte Künstliche Intelligenz, die überraschenderweise recht gut übersetzen kann, ohne es explizit "gelernt" zu haben. Dezidierte Übersetzungsprogramme, wie DeepL, machten auf Grund der Fortschritte in der KI ebenfalls riesige Qualitätssprünge. Ich machte einige Übersetzungsversuche mit diesen Tools. Die Ergebnisse schienen mir gut genug zu sein, um eine KI-basierte Übersetzung als Basis für eine mehrsprachige Wiederveröffentlichung des Buches anzugehen. Die automatischen Übersetzungen waren und sind allerdings bei weitem nicht fehlerfrei. Die KI macht zwar weitgehend perfekte Sätze in Bezug auf Rechtschreibung und Grammatik, jedoch gibt es regelmäßig inhaltlich-logische „Missverständnisse“. Oft sind Textstellen, die einem Menschen mit etwas Fach- und Kontextwissen in ihrer Bedeutung eindeutig erscheinen, objektiv betrachtet erstaunlich offen für unterschiedliche Interpretationen. Um diese Fehler zu finden, muss man beide Sprachen mindestens sehr gut verstehen und sich in der Sache fachlich auskennen. Für das Englische traute ich mir das zu, für das Spanische nicht. Die vorliegende Website wird also mit einer weitgehend kompletten deutschen Version, einer nahezu kompletten englischen, aber zunächst nur mit wenigen spanischen Texten online gehen.
Wo nicht anders angegeben sind die deutschsprachigen Texte unveränderte Originaltexte. Die englischsprachigen sind von mir überarbeitete und korrigierte Übersetzungen auf Basis von DeepL- und ChatGPT-Übersetzungen. [Für die Übersetzung von Deutsch nach Englisch und Stand 2024 übersetzt DeepL präziser und näher am Original, ChatGPT übersetzt freier und sprachlich oft flüssiger, so dass sachlich-wissenschaftlichere Texte meistens von DeepL besser übersetzt wurden und journalistisch-alltagssprachliche Texte aus ChatGPT weniger Korrekturaufwand erforderten.] Ich begann die Korrekturarbeit mit dem Rückblick von Gui Bonsiepe und musste schnell feststellen, dass ich den Korrekturaufwand für Texte dieser Qualität und Komplexität deutlich unterschätzt hatte. Komplexere grammatische Bezügen, semantische Nuancen und Andeutungen, seltene Redewendungen und Metaphern sind hartes Brot für die KI – wie auch für menschliche Übersetzende. Unsere Lieblingsstelle in Gui Bonsiepes Text war die Übersetzung der Formulierung „mittels Sprachkritik die Folgen und Interessen ideologischer Eiertänze aufzurollen“. Ob Mensch oder KI – wer diese Redewendung nicht kennt, kann auch nicht wissen, dass da nicht die Eier tanzen, sondern Ideologen um die Eier herum … Auf Grund dieser doch recht hohen Anforderungen an die Übersetzenden – in Bezug auf Kompetenz und Zeitaufwand – ist die spanischsprachige Version noch recht lückenhaft. Gui Bonsiepes Text wurde von seiner Frau Silvia Fernandez korrigiert, die argentinisches Spanisch als Muttersprache spricht, jedoch kein Deutsch. Gui Bonsiepe unterstützte sie in den (offensichtlich nicht seltenen) Fällen, in denen sein Deutscher Originaltext zur Korrektur der spanischen ChatGPT-Übersetzung herangezogen werden musste.
Eugenio Vega (siehe oben) hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, auch den Journal Artikel „Writing as a Design Discipline“ den Christiane Wachsmann und ich auf Basis einer der Buchbeiträge geschrieben hatten, ins Spanische zu übersetzen. Dieser lag bereits Ende 2015 auf Deutsch und in Englischer Übersetzung vor.
Die Klärung der Nutzungsrechte verlief dagegen einfacher als gedacht, die überwiegende Mehrheit der Autor:innen sagte sofort zu. Auch die Nutzungsrechte für den Großteil der Abbildungen konnte das HfG-Archiv und die jeweiligen Autor:innen gewähren. Danke auch an Florian Aicher, der die Nutzungsrechte an Otl Aichers Nachlass verwaltet. Im Fall von Elke Koch-Weser Ammassari und Fred Weidmann, die beide leider nicht mehr leben, gewährten die Töchter, bzw. die Witwe die Nutzungsrechte. Mit Margit Staber-Weinberg und mit Ilse Grubrich-Simitis wurde ich jeweils kurz vor deren Tod einig. Ilse Grubrich-Simitis hat ihr Einverständnis leider nur für die Wiederveröffentlichung des deutschen Originaltextes gegeben, einer – wenn auch von Menschen korrigierten – KI-Übersetzung wollte sie nicht trauen. Durchaus nachvollziehbar, in Anbetracht der Tatsache, dass sie jahrzehntelang das Wissenschaftsressort des Fischer Verlags verantwortet hat und absolute sprachliche Präzision für sie nie verhandelbar war. Für mich ein weiteres Beispiel für die kompromisslose Haltung „der Ulmer“ in Bezug auf Qualität, die mich immer wieder ambivalent zurücklässt: Mit Bewunderung für die Konsequenz einerseits, aber auch mit Verwunderung über die Zwanghaftigkeit andererseits. Nur wenige Tage vor ihrem Tod ließ sie mich unsere Copyright-Vereinbarung nochmals neu schreiben, weil sie in diesem Schriftsatz einfache Anführungsstriche für angemessen hielt.
Vorwort [zur Buchausgabe 2015]: Der Schlussstein
Die bisherigen Rückblicke zu den HfG-Abteilungen erschienen in überraschend gleichmäßigen Abständen von jeweils zwei Jahren. Nach den Bänden der Abteilungen Bauen (2006), Produktgestaltung (2008), Visuelle Kommunikation (2010) und Film (2012) wird diese Reihe nun 2015 mit der Abteilung Information vervollständigt und abgeschlossen. Mit den 2011 erschienenen Rückblicken auf die Grundlehre umfasst die Reihe sechs Bände mit insgesamt über 150 persönlichen Erinnerungen an das Studium an der HfG Ulm.
Schon im Vorwort zum ersten Band beschwor der Initiator der Rückblicke-Reihe Gerhard Curdes das Potential dieser Dokumente für eine „vertiefte Auseinandersetzung mit der HfG-Didaktik“ und mahnte eine Auseinandersetzung mit dem „unsichtbaren Ulm“ 1 an – in Abgrenzung zu einer HfG-Rezeption, die durch Abbildung der immer gleichen Produkte geprägt ist. Auch die Abteilung Information ist in der HfG-Rezeption bisher unsichtbar geblieben. Sie gehört zu jenen Aspekten der HfG, die in Bildbänden und Ausstellungen nur schwer zugänglich werden und deren Ergründung ohne eine Anstrengung des Denkens kaum gelingt. So wurde diese Abteilung zwar in der HfG-Literatur immer pflichtbewusst und der Vollständigkeit halber erwähnt, aber bisher nie systematisch untersucht.2
Ein weiterer Faktor mag die kleine Anzahl von Studierenden in der Informationsabteilung gewesen sein. Insgesamt waren es nur 15, die nach der Grundlehre in die Abteilung eintraten, wovon sieben mit dem Diplom abschlossen. Weitere acht begannen das Studium mit dem Ziel, in der Abteilung Information zu studieren, gingen jedoch nach der Grundlehre ab.
Die Unsichtbarkeit der Abteilung wird deutlich, wenn man die Publikation betrachtet, die das HfG-Bild immer noch am stärksten prägt: Das Kapitel über die Information im weitverbreiteten Band „Die Moral der Gegenstände“ 3 nimmt nur 0,03 % des Seitenumfanges ein. Es besteht lediglich aus Langzitaten aus HfG-Broschüren, Begrüßungsreden, Lehrprogrammen sowie den Zeitschriften „output“ und „ulm“. Einen Beitrag über die Geschichte und Bedeutung der Abteilung sucht man darin vergebens.
Unsere Herausgeberarbeit war davon motiviert, diese Informationslücke in den bisherigen Publikationen über die HfG wenigstens zu verkleinern. Dabei sind wir von folgenden Thesen ausgegangen: - Die Entstehung und Entwicklung der Abteilung Information ist eng verknüpft mit der Vorgeschichte der HfG. Man kann sie als letztes hartnäckiges Überbleibsel einer ursprünglich geplanten Schule für politische Bildung interpretieren.
- Der Effekt, den die Abteilung und ihre Dozenten auf das intellektuelle Niveau der gesamten HfG und den dort entstehenden Designdiskurs hat, wird bis heute unterschätzt und ist bisher zu wenig thematisiert worden.
- Die Abteilung Information ist ein Beleg für die ganzheitliche Auffassung von Gestaltung an der HfG, die alle Bereiche des „industrialisierten Lebens“ umfasst – im Unterschied zum Bauhaus einschließlich der verbalen Kommunikation und der Medien.
Das Herausgeberteam kommt beim vorliegenden Band zum ersten Mal ohne HfG-Absolventen aus. Aus den Reihen der ehemaligen Informationsstudierenden fand sich niemand, der sich zeitlich in der Lage sah, die Arbeit zu übernehmen. Gerda Müller-Krauspe, die bereits die Grundlehre-Rückblicke herausgab, gebührt der Dank dafür, dass sie ausdauernd darauf drang, die Reihe abzuschließen und damit unserem Projekt den entscheidenden Startimpuls gab. Sie motivierte im Sommer 2012 Petra Kellner für diese Aufgabe. Über Gui Bonsiepe entstand der Kontakt zu mir – ich hatte unabhängig vom Rückblicke-Projekt einen Konferenzbeitrag über die Abteilung Information geschrieben.4 Christiane Wachsmann stieß zunächst als Ansprechpartnerin im HfG-Archiv dazu. Schnell stellte sich heraus, dass auch sie seit langem ein besonderes Interesse an der Informationsabteilung hat. So beschlossen wir im September 2012, die Herausgeberarbeit gemeinsam zu übernehmen.
Auf die Gefahr hin, dass es selbstgefällig klingt: Die Zusammensetzung des Herausgeberteams war für uns ein Glücksfall. Nicht nur auf persönlicher Ebene funktionierte die Zusammenarbeit bestens, auch von den unterschiedlichen Hintergründen und Expertisen profitierte das Projekt:
Petra Kellner hat maßgeblich an der ersten umfassenden Dokumentation der HfG mitgearbeitet, der HfG-Synopse von 1981, die auf Initiative von Hans (Nick) Roericht entstand und an der sich vor allem Ausstellungen über die HfG bis heute messen lassen müssen. Auch von ihrer Mitarbeit an Gerda Müller-Krauspes Buch über Frauen an der HfG Ulm 5 kennt sie die Materie und ist bestens mit ehemaligen Ulmern vernetzt.
Das gilt genauso für Christiane Wachsmann. Als Mitarbeiterin und frühere Leiterin des HfG-Archivs hat sie sich lange Jahre hauptamtlich mit der Hochschule für Gestaltung beschäftigt. Und ihr besonderes Interesse galt von Beginn an der sonst vernachlässigten Abteilung Information – ihr Hintergrund in Literatur, Journalismus und als Leiterin der Schreibwerkstatt an der Ulmer Volkshochschule erklärt dieses Interesse. Auf sie geht der erste Text zurück, der sich systematisch mit der Abteilung Information beschäftigt.6 Dazu hat sie bereits 1991 zahlreiches Material zusammengetragen und Interviews mit ehemaligen Studierenden und Dozenten der Abteilung geführt. Von dieser über zwei Jahrzehnte zurückliegenden Vorarbeit hat der vorliegende Band enorm profitiert. Durch Christiane Wachsmann hatten wir zudem einen kompetenten und autorisierten Zugriff auf Dokumente des HfG-Archivs – verbunden mit ihrem Wissen um Bildrechte und Datenschutz ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber früheren Rückblicke-Herausgebern.
Der anfänglich am wenigsten mit HfG-Wissen „vorbelastete“ im Herausgeberteam war wohl ich. Ich war zwar Student und Mitarbeiter bei Gui Bonsiepe in Köln,7 aber weder die HfG Ulm noch die Abteilung Information waren damals ein großes explizites Thema. Die aufkommenden interaktiven Medien waren damals für Lehrer wie Schüler die deutlich spannenderen Themen. Ulm war eher als Haltung in Form einer ständigen Hintergrundstrahlung präsent.8
2011 begann ich in einem Studiengang zu unterrichteten, der unter anderem verbale und visuelle Kommunikation verbindet.9 Unzufrieden mit den marketinglastigen Lehrplänen begann ich ähnliche interdisziplinäre Studiengänge und mögliche „historische Vorbilder“ zu recherchieren. Gui Bonsiepe befragte ich in einigen E-Mails über Inhalte und Lehrpläne der Abteilung Information.
Auf sein Anraten setzte ich meine Recherchen im HfG-Archiv fort. Fasziniert vom zu Tage tretenden Themenkomplex und angesichts der offensichtlichen Forschungslücke beschloss ich, das Material zu einem Beitrag für eine Designgeschichte-Konferenz zu verarbeiten.10
Zurück zu den Rückblicken. Die Reihe hat eine nicht zu übersehende Entwicklung durchgemacht. Die ersten Bände waren noch reine Sammlungen von persönlichen Rückblicken ehemaliger Studierender, die meisten davon club-off-ulm-Mitglieder. Diese Bände wurden daher oft als interne Publikationen des club off ulm wahrgenommen. Spätestens der Film-Band stellte sich deutlich anders dar. Die persönlichen Rückblicke der ehemaligen Studierenden wurden durch Portraits und Interviews mit ehemaligen Dozenten ergänzt, und sogar redaktionelle Texte von externen (nicht-Ulmer) Filmkritikern und -historikern wurden integriert. Was auf Grund der wenigen Absolventen der Filmabteilung kaum auffällt, ist die enorme Steigerung der „Rückblick-Quote“: Im Band der Abteilung Bauen hat nur jeder Achte der ehemaligen Studierenden einen Rückblick beigesteuert. Im Film-Band und im vorliegenden Informations-Band sind es dagegen mehr als die Hälfte der ehemaligen Studierenden, deren Rückblicke oder zu denen Portraits erscheinen.11
Dieser Zuwachs liegt nicht nur an den Motivationskünsten der Herausgeber. Mit jeder Ausgabe wurde deutlicher, dass es hier inhaltlich nicht um nostalgische Selbstdarstellung geht. Vielmehr wurde klar, dass diese Form der „lebenden Geschichtsschreibung“ zu einer differenzierten Aufbereitung der HfG-Geschichte beiträgt. Der Disput zwischen den bekannten HfG-Flügeln schimmert stellenweise in den persönlichen Rückblicken durch, auch wenn sie mit einem halben Jahrhundert Abstand zu den Geschehnissen formuliert wurden. Jedoch macht die Gesamtheit der Rückblicke eindrücklich klar, dass es – um in den gängigen Klischees zu sprechen – nicht nur das bauhausgeprägte Bill-Ulm, das kunstfreie Aicher-Maldonado-Ulm oder das wissenschaftliche Rittel-Ulm gegeben hat. Wenn es eine Wahrheit über Ulm gibt, so tritt sie in den unscharfen Überlappungen der vielen subjektiven Rückblicke aller Beteiligten zutage.12
Das Herausgeberteam dankt [2015]
Unser Dank gilt natürlich zuerst allen Autorinnen und Autoren, insbesondere jenen, die über bereits Verstorbene berichtet haben. Wertvolle Informationen haben die Herausgeber aus weiteren Hintergrundgesprächen erhalten. Dafür bedanken wir uns bei Gunhild Bürgel, Ulrich Bürgel, Walter Eichenberger, Kirsten Kalow, Marianne Kalow, Gisela Kasten, Gerda Müller-Krauspe, Walter Müller, Frieder Nake, Hans Roericht und Ursula Wenzel. Beim HfG-Archiv und Dr. Martin Mäntele bedanken wir uns für die Unterstützung bei der Recherche und bei den dortigen Arbeitstreffen. Zusätzliches Bildmaterial haben Florian Aicher, Peter Beck, Christian Dettwiler vom Ernst-Scheidegger-Archiv, Alfred Jungraithmayr und René Spitz (Fotos von Hans G. Conrad) zur Verfügung gestellt. Für Abdruckgenehmigungen von Texten und Abbildungen danken wir Susanne v. Bülow (Studio Loriot), Lu Decurtins, Eugen Gomringer, Tilmann Krumrey, Michael Krüger, Martin Loew, Daniel Meister und Dagmar Meister-Klaiber, Walter Müller, Ursula Rauch und Horst Rasch, Bernd Rauschenbach von der Arno-Schmidt-Stiftung, der Deutsche Lufthansa AG, dem S. Fischer Verlag und der ZEIT. Ursula Wenzel hat dankenswerterweise den Großteil des Bildmaterials digitalisiert und bearbeitet.
Einführung [2015]
Im vorliegenden Band wird die Geschichte der Informationsabteilung in vier Abschnitte eingeteilt: In die Entstehungsgeschichte sowie in die drei Phasen ihrer Existenz, die auch die ehemaligen Studierenden in drei „Generationen“ einteilt. Diese drei Generationen haben eine jeweils deutlich unterschiedliche Abteilung Information erlebt.
Den Inhalten der einzelnen Abschnitte sind jeweils knappe Chronologien der entsprechenden Zeiträume vorangestellt. Hier werden vor allem institutionelle Entwicklungen, Veränderungen im Lehrkörper und Unterrichtsthemen übersichtsartig zusammengefasst. Auch der Abschnitt zur Entstehungsgeschichte der Abteilung beginnt mit einer solchen Übersicht. Im Anschluss geben die Herausgeber eine vertiefende Einführung in die Vorgeschichte und Entwicklung der Abteilung. Hier wird auch die für die Konzeption der Abteilung Information wichtige Vorgeschichte der HfG thematisiert.
Die erste Generation von fünf Studierenden trat 1954 und 1955 in die Informationsabteilung ein. Vier davon beendeten ihr Studium mit dem HfG-Diplom. Erfreulicherweise haben sich diese vier bereit erklärt, einen persönlichen Rückblick zu verfassen. Sie bilden das Fundament für diesen Rückblicke-Band und geben Zeugnis über die stabilste Phase der Abteilung unter der Leitung von Max Bense. In den Rückblicken der ersten Generation wird deutlich, dass Bense mit seinem philosophisch-naturwissenschaftlichen Hintergrund und den Themen (philosophische) Ästhetik, Sprach-, Kunst- und Wissenschaftstheorie für einen enorm hohen intellektuellen Grundanspruch sorgte. Dazu trugen natürlich auch die anderen DozentInnen bei, die in vielen Fällen von Bense an die HfG vermittelt wurden. Die dem Kapitel vorangestellte Chronologie gibt dazu detailliertere Auskunft.
Die erste Studentin der Information, die als einzige das Studium bereits 1954 begann, war auch die erste, die ihren fertiggestellten Rückblick ablieferte: Margit Staber-Weinberg. Sie hatte einen Vorsprung, denn einige Erinnerungen an ihre Studienzeit hatte sie bereits für einen Vortrag gesammelt, den sie 2003 zum 50. Jubiläum der HfG hielt. Sie steht Max Bills Vorstellung der Information am nächsten, nach der die Aufgabe der Abteilung vor allem die publizistisch-journalistische Vermittlung von Gestaltungsthemen sein sollte. Ihr Beitrag geht jedoch über das Fachliche hinaus und verbindet es mit persönlichen und zeitgeschichtlichen Kontexten.
Wie in der Rückblick-Reihe üblich, sind die Beiträge zuerst chronologisch nach Anfangsjahrgang und dann alphabetisch geordnet. Das Kapitel zur ersten Generation beginnt daher mit diesem Text von Margit Staber-Weinberg.
Der zweite Beitrag stammt von Gui Bonsiepe. Seinem Text ist anzumerken, dass er von allen Ehemaligen die längste Zeit in Ulm verbracht hat, blieb er doch nach dem Informationsstudium als Assistent und Dozent bis 1968 an der HfG. Er ist auch der einzige, der nach dem Informationsstudium beruflich fortwährend mit Gestaltung befasst blieb. Sein Rückblick changiert entsprechend zwischen abteilungsspezifischen Themen, knapp gehaltenen persönlichen Einschüben und einer generellen und politischen HfG-Perspektive.
Die folgenden Rückblicke von Ilse Grubrich-Simitis und Elke Koch-Weser Ammassari entstanden im engen Austausch untereinander. Ihre Beschreibungen profitieren von tagebuchartigen Briefen, die Elke Koch-Weser damals an ihre in Brasilien lebenden Eltern schrieb. Vor allem die Darstellung des Unterrichts der zahlreichen Gastdozenten bildet ein willkommenes Korrektiv zur Dominanz der Abteilungsleiter Bense und Kalow in den Herausgebertexten.
Die oft wenig systematische Gestaltung des Lehrprogramms hat bereits in der ersten Generation zu Unsicherheit und Unzufriedenheit geführt. Ilse Grubrich-Simitis beschreibt die damals empfundenen Mängel einer oft zusammengewürfelt wirkenden Lehre – um in der Folge vielerlei Ulmer Prägungen und Inhalte mit ihrem Werdegang in eine positive Verbindung zu bringen. Bei der Betreuung eines wissenschaftlichen Verlagsprogrammes sind es zunächst die konkreten Themen, die auf HfG-Zeiten verweisen. Später ist es die in Ulm selbstverständlich gewordene Interdisziplinarität. Und zuletzt – nach einer beruflichen Umorientierung – nunmehr die Arbeitshaltung: „zugewandte Geduld, Rationalität, […] Genauigkeit“ und die Fähigkeit „angesichts hochgradiger Komplexität über längere Zeitspannen Ungewißheit aushalten zu können“.
Auch in Elke Koch-Weser Ammassaris Beitrag wird deutlich, wie fruchtbar die im Studium oft als Konzeptlosigkeit erlebte Konfrontation mit sich widersprechenden Standpunkten der Dozenten sein kann. Wahrscheinlich kaum ein Zufall, dass sie eine akademische Laufbahn eingeschlagen hat, die diese Perspektiven verbindet und die wissenschaftlichen Kulturen überbrückt: das Humanistische der Geisteswissenschaften und das Numerische der Naturwissenschaften.
Abgeschlossen wird das Kapitel zur ersten Generation mit der Transkription eines Lehrplans für die Abteilung Information, den Max Bense 1956 veröffentlichte, sowie zwei vertiefenden Texten. Im ersten versucht David Oswald die oft missverstandene „Informationsästhetik“ Max Benses aus heutiger Sicht einzuordnen, beziehungsweise zu entmystifizieren. Im zweiten Text portraitiert Christiane Wachsmann Gert Kalow, der bereits die erste Generation als Gastdozent unterrichtete, bevor er – zu der Zeit, als sich die zweite Generation formierte – die Leitung der Abteilung übernahm und seine praxisorientierten Vorstellungen von „Sprache als Fach“ einbrachte.
Die zweite Generation begann ihr Studium ab 1958. Zu dieser Zeit war die Existenz der Abteilung durch die geringe Auslastung, dem Fehlen eines auch zeitlich voll engagierten Leiters und die Entstehung der neuen Filmabteilung immer wieder in Frage gestellt. Der fragile Zustand der Abteilung spiegelte sich in einer deutlich höheren Quote von Wechslern und Abbrechern wider, und noch heute wird in den Rückblicken dieser Generation eine größere Verunsicherung und kritische Distanz gegenüber der HfG deutlich. Trotz der damaligen Umstände äußert sich die Distanz und Kritik in den Rückblicken auf diese Zeit in einer liebevoll kritischen Weise. So zum Beispiel im Rückblick von Erdmann Wingert, dem man wahrscheinlich mit dem Begriff des „klassischen Qualitätsjournalismus“ am besten gerecht wird. Er hat dankenswerterweise auch seine Erinnerungen an bereits verstorbene Kommilitonen seiner Generation festgehalten.
Es gibt auch ehemalige Ulmer, in deren Arbeit auf den ersten Blick keine HfG-Spuren nachweisbar zu sein scheinen – zumindest keine sichtbaren. Ein solcher ist Fred Weidmann. Aber auch er berichtet von einer starken Prägung und dass er von „den Besten ihrer Zeit“ gelernt hat. Er wechselte nach zwei Jahren Ulm in die Soziologie – um später ziemlich genau das Gegenteil der damals in Ulm favorisierten konkreten Kunst zu produzieren.
Distanz und Kritik an der HfG mögen auch hinter der ein oder anderen Absage an die Anfragen der Herausgeber stecken, es waren jedoch erfreulich wenige. Auch erfreulich ist es, dass Sabine Sass einen Beitrag über den 2009 verstorbenen Dolf Sass geschrieben hat. Da sie mit ihrem Mann zeitweise auf dem Kuhberg wohnte, kann sie auch Einblicke in die HfG-Zeit geben. In den HfG-Prospekten wurde die enge Zusammenarbeit der verbalen und der visuellen Kommunikation immer wieder postuliert. Dolf Sass war einer der wenigen, die diese Zusammenarbeit tatsächlich gelebt haben.
Einige Ehemalige aus der zweiten Generation sind bereits verstorben, andere waren unter den vorliegenden Adressen nicht mehr auffindbar. Sofern es uns möglich war, werden diese in kurzen Portraits auf Basis von Archivmaterial und Informationen anderer Ehemaliger oder Angehöriger gewürdigt. Gelungen ist dies im Falle von Jürgen Freuer, Dolf Sass, Alf Poss und Harry Kaas.
Die dritte und letzte Generation besteht nur aus drei Studierenden. Darunter Hanna Laura Klar (damals „Hannelore“ Waller), die, ohne je offiziell die Abteilung zu wechseln, im Bereich Film zu Ende studierte und sich für ein Interview zur Verfügung gestellt hat. Sie macht bis heute Life-History-Filme, eine Dokumentarfilm-Methode, die in Ulm vermittelt wurde.
Der letzte Informationsstudent war Peter Michels. Er verließ die HfG zunächst, um in Berlin Publizistik zu studieren. Nach der Schließung der Ulmer Hochschule kehrte er an das Institut für Umweltgestaltung zurück, um dort noch die Diplomprüfung abzulegen. Er verstarb 2011. Der Rückblick auf ihn wurde von seiner Lebensgefährtin und den Herausgebern zusammengestellt. Mit ihm schließt sich ein Kreis, denn Michels hat Zeit seines Lebens als kritischer und aufklärerischer Journalist gearbeitet. Damit entspricht er, als letzter Absolvent der Abteilung, genau dem Bild, das Inge Scholl, Otl Aicher und Hans Werner Richter Ende der 1940er Jahre von Absolventen der geplanten Geschwister-Scholl-Schule hatten.
Anmerkung zu Rechtschreibung und Zeichensetzung [2015]
Die beruflichen Lebenswege der ehemaligen Informationsstudierenden sind deutlich varianter als die der anderen Abteilungen, letztere zielten auf klarer definierte Berufsbilder ab. Auf Grund der vielfältigen Disziplinen, in denen die ehemaligen Informationsstudierenden heute verortet sind, haben wir als Herausgeber auf die üblichen Vorgaben in Bezug auf Textformen, Fußnoten- und Zitationsformate verzichtet. Einheitlichkeit schien uns vor diesem Hintergrund weniger wichtig als die Dokumentation der real existierenden Vielfalt. So stehen klassisch journalistisch geprägte, erzählerische Texte neben solchen mit eher wissenschaftlichem Duktus und detailliertem Quellen- und Anmerkungsapparat.
Bei der Sichtung der Rückblicktexte fielen zudem unterschiedliche Rechtschreibung und Zeichensetzung auf. Uns schien es auch hier angemessen, die individuelle Vielfalt zuzulassen. So steht nun reformierte und unreformierte deutsche Rechtschreibung neben traditioneller schweizerischer – inklusive der durch die schweizerische Schreibmaschinentastatur früher notwendigen Umschreibung der Versalumlaute mit Ae, Oe und Ue. Auch solche tradierten Werkzeugspuren aus der vordigitalen Zeit schienen uns erhaltenswert, denn sie machen die veränderte Materialität der Textarbeit bewusst. Auch Mischformen haben wir belassen, so zum Beispiel die Kombination neuer deutscher Rechtschreibung mit den in romanischen Sprachen üblichen Anführungszeichen «Guillemets» – als sichtbares Zeichen einer multikulturellen Biographie. Wie allgemein üblich sind wörtliche Zitate oder Transkriptionen von Originaldokumenten in der damaligen Schreibweise wiedergegeben.
Auch in der Frage, ob man das genderneutrale „Studierende“ oder das sprachlich schönere „Studenten“ verwenden sollte, haben wir nicht eingegriffen. Sogar die HerausgeberInnen selbst mochten sich nicht auf einen Begriff einigen, so dass auch in unseren Texten beide Begriffe vorkommen können.
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