Peter M. Michels 1941–2011

HfG Ulm 1962-1966
IUP Ulm 1971-1972
 

Der letzte Studierende der Abteilung Information war Peter Michels. Sein Studium an der HfG begann er direkt nach dem Abitur im Studienjahr 1962/63. Er unterbrach sein HfG-Studium, um in Berlin Publizistik zu studieren und schloss es 1971 am Institut für Umweltgestaltung (IUP) ab. Seine Diplomarbeit, die er gemeinsam mit Joachim Heimbucher schrieb, hatte den Titel „Bauhaus – HfG – IUP. Dokumentation und Analyse von drei Bildungsinstitutionen im Bereich der Umweltgestaltung.“ Es war die erste (wenn auch unveröffentlichte) wissenschaftliche Arbeit, die sich mit der damals noch jungen Geschichte der HfG befasste.

Peter Michels wuchs in einem Bauhaus-affinen Elternhaus auf und wurde vom Ruf der HfG als „Bauhaus-Nachfolge“ angezogen. Dass er sich dann ausgerechnet für diejenige Abteilung entschied, die von Anfang an die größte Differenz zum Bauhaus darstellte, lag an seiner stark politischen Orientierung. Die Themen seiner im Berufsleben entstandenen Hörfunksendungen und seine Publikationen zeugen von diesem politischen Engagement. Es geht um Wahlrecht, um Freiheit und Herrschaft, Gefängnisse ohne Mauern oder auch um „die Frau in der antiimperialistischen Bewegung“. Später sind es die schwarzen Ghettos und das Lumpenproletariat der USA, der Widerstand gegen den Vietnam-Krieg, Arbeitskämpfe von Farmarbeitern und immer wieder die Rechte ethnischer Minderheiten in den USA und der Karibik. Auf seiner Website bezeichnete er sich als „Journalist, Autor, Medienarbeiter“ – damit entsprach er genau jenem Profil, das Inge Scholl, Otl Aicher und Hans Werner Richter mit der in den späten 1940er Jahren geplanten Geschwister-Scholl-Schule angestrebt hatten. Nach der Katastrophe des Hitlerfaschismus sollten in Ulm ganzheitlich gebildete, kritisch-demokratische Publizisten ausgebildet werden. Peter Michels war genau das.

 

Biographische Notiz auf Peter Michels Website

Durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs wurde ich 1941 bei Mainz am Rhein geboren. Dort wuchs ich vaterlos auf und bewerkstelligte 1962 das Abitur. Im selben Jahr begann ich mein Studium an der (nicht mehr existierenden) Hochschule für Gestaltung in Ulm (hfg ulm) – 1951 von Max Bill und der Geschwister-Scholl-Stiftung gegründet, um die Tradition des Bauhauses fortzuführen. Bevor ich dort in der Abteilung Information das Diplom erwarb, studierte ich noch einige Semester am Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin. 1973/74 war ich für drei Semester akademischer Tutor am Amerika-Institut der Universität Frankfurt/Main.

Die Arbeit in meinem späteren Berufsfeld begann ich während des Studiums als Praktikant bei Radio Bremen und Südwestfunk Baden-Baden. Durch Geburtsjahr, Zeitumstände und spontane Interessen geriet ich schon vor 1968 fast automatisch in die Studentenbewegung. Meine Neugier über den amerikanischen SDS [„SDS“ meint eigentlich „Sozialistischer Deutscher Studentenbund“ – gemeint ist wahrscheinlich ein linker Studentenbund in den USA, Anm. D.O.] und die damalige Protestbewegung gegen den Vietnam-Krieg brachten mich 1970 erstmals in die USA. Diese und alle späteren Reisen finanzierte ich durch Schreiberei – bis ich merkte, dass ich in den Beruf des freien Autors geraten war.

Mein liebstes Ressort wurde das einstündige Hörfunk-Feature, das bei vielen Anstalten der ARD damals eine ähnlich feste Stammhörerschaft hatte wie das akademischere Abendstudio und das literarische oder experimentelle Hörspiel. Erst aus der Fülle des gesammelten dokumentarischen Materials entstand später der Zwang, zum einen oder anderen Thema auch ein Buch zu erstellen. [Den Kurt-Magnus-Preis der ARD, den er 1967 für seine Hörfunksendungen erhielt, verschweigt Michels auf seiner Website. Anm. D.O.]

Meine Themen ergaben sich aus den Kontakten, die ich mit der ersten Amerikareise gesucht und angeknüpft hatte: mit namenlosen Angehörigen, bekannten Vertretern und Führern fast aller farbigen Minderheiten und Protestbewegungen in den USA – also schlechthin mit „Der Bewegung“ der siebziger Jahre. Über Puertoricaner in New York und Chicago wuchs dann mein Wunsch, auch deren Heimat Puerto Rico zu besuchen. Von dort aus begann meine persönliche Entdeckung der Karibik, die zum einen in eine Ehe mit einer Frau aus Trinidad führte, und mir zum andern immer wieder neue Einblicke in eine fremde farbige Welt verschaffte, deren soziale, kulturelle und politische Ungereimtheiten recht gut zu dem passten, was meine eigene Unrast und Suche nach einer inneren Heimat bestimmte.

 

Aus dem Vorwort zum Buch „Black Perspectives“

[…] Die vorliegenden Beiträge sollen vor allem jüngeren Lesern einen Rückblick auf die Lage und Entwicklung der vielfältigen politischen und kulturellen Bewegungen in den USA und der Karibik erleichtern, die im weiteren Umfeld von der historisch bedeutsamen 68er-Bewegung mitbestimmt waren.

Zahlreiche der vorliegenden Themen und Beiträge hatte ich vor 10 bis 25 Jahren in anderer Form vor allem zu einstündigen Hörfunksendungen verarbeitet. Als Student, der durch die Vorflut der 68er-Bewegung mitgeprägt wurde, begann mein Interesse an den politischen Protestbewegungen in der Neuen Welt, das dann meinen Werdegang als freier Journalist weitgehend bestimmte. Innerhalb der ARD-Anstalten gab es zu dieser Zeit die etablierte und beliebte Programmreihe des Hörfunk-Features, das in seiner Ein-Stunden-Form ideal zur Vermittlung informativer, dokumentarischer und dramaturgisch unterhaltsamer Beiträge geeignet war, die sich nicht auf tagesaktuelle Themen beschränken mußten, sondern vielmehr Zeitgeschehen exemplarisch beschreiben, analysieren und interpretieren konnten. Durch die Resonanz der sehr dankbaren Zuhörerschaft, die das Feature neben dem Hörspiel zu einer der beliebtesten Rundfunkgattungen gemacht hatte, war es mir möglich, über viele Jahre immer wieder neue Erkundungsreisen in die USA und die Karibik durchzuführen, aus denen ich meine Materialsammlungen und Wissenstand zu den mich interessierenden Themen jeweils neu auffrischen konnte.

Unvergleichbar eindrucksvoll waren meine beiden ersten langen Reisen in die USA zu Beginn der siebziger Jahre. Aus ihnen ergaben sich Kontakte zu praktisch allen wichtigen Minderheiten in den USA samt deren wesentlichsten Organisationen zu dieser Zeit. Das Ergebnis dieser Recherchen schlug sich neben diversen Rundfunksendungen auch in meinen beiden ersten Büchern nieder, die die Organisation des Lumpenproletariats und den Widerstand gegen den Vietnamkrieg innerhalb der US-Streitkräfte behandelten.

Während meiner ersten Aufenthalte in New York und Chicago entstand auch der Kontakt zur puertoricanischen Bewegung in Form der „Young Lords“. Gerade sie weckten mein Interesse am Besuch ihrer Heimatinsel Puerto Rico, durch den dann auch meine persönliche Vorliebe zur Welt der Karibik ihren Anfang nahm. Allein schon die historische Verbindung durch gemeinsame Befreiungskämpfe in Puerto Rico und Kuba legte mir nahe, nach meinem ersten Besuch Puerto Ricos 1973 bald auch nach Kuba zu reisen, was mir 1976 gelang, als Einzelreisen auch von Journalisten dorthin noch fast unmöglich waren. Im gleichen Zeitraum „entdeckte“ ich für mich den Rest der Karibik auf meine Art, woraus sich eine ganz besondere Beziehung zu Trinidad ergab. Das hatte dann auch eine neunjährige Ehe mit einer Trinidaderin zur Folge.

Aus den angesammelten Kenntnissen und Erfahrungen ergab sich für mich 1973 ein dreisemestriger Nebenjob als Tutor am Amerika-Institut der Universität Frankfurt. Das Ende dieser Tätigkeit wurde durch den Rückbau der Drittelparität in den universitären Besetzungsgremien bestimmt, der 1975 unter dem Zeitgeist des Verfassungstreue-Nachweises als rigide Abwehr gegen die Errungenschaften der 68er-Bewegung verfügt wurde und den Neokonservativismus neuen Einzug in deutsche Universitäten halten ließ. Eine neue Nebentätigkeit begann ich 1982 als Tutor für Landeskunde der englischsprachigen Karibik bei der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung, die Entwicklungshelfer und Experten für ihren Einsatz in Übersee vorbereitet. An der fortlaufend geringer gewordenen Zahl der in die Karibik ausreisenden Fachleute zeigt sich wie an einem Gradmesser, in welche relative Bedeutungslosigkeit diese Region in den vergangenen Jahren versunken ist, die als erklärter Hinterhof der USA bis in die 80er Jahre als besondere Krisenregion der Welt gegolten hatte. Die US-Invasion in Grenada 1983 war der Höhepunkt der ideologischen und machtpolitischen Konfrontationen in der so disparaten karibischen Region, die dann mit der Ost-West-Entspannung unter dem Gebot der Globalisierung nur noch unter parteipolitisch alternierenden Wirtschaftsstrukturreformen zu leiden begann.

 

Bücher

Aufstand in den Ghettos – Zur Organisation des Lumpenproletariats in den USA, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt, 1972

 

Bericht über den politischen Widerstand in den USA – Zur politischen Organisation in Streitkräften gegen den Vietnam-Krieg, Edition Suhrkamp, Frankfurt, 1974

 

Wetbacks, Kojoten und Gorillas – Arbeitskämpfe der Farmarbeiter in den USA, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt/Köln, 1976

 

Rastafari – Religion und Revolution in Jamaica, Trikont Verlag, München, 1979

 

Black Perspectives – Berichte zur schwarzen Bewegung, Band 1: USA, Atlantik Verlag, Bremen, 1999

 

Black Perspectives – Berichte zur schwarzen Bewegung, Band 2: Karibik, Atlantik Verlag, Bremen, 1999

 

 

Hörfunksendungen (Auswahl)

Der 20. Juli 1944 – Der Widerstand gegen Hitler, 1965

 

Anschluss oder Konföderation – Bericht über die Versuche, die deutsche Frage zu lösen, 1967

 

Die Qual mit dem Wahlrecht – Erkundungen eines innenpolitischen Problems, 1967

 

Freiheit oder Liberalität – Porträt der westdeutschen Nachkriegseliten, 1968

 

Die neuen Herrscher – Aufstieg, Funktion und Gesellschaftsbild der Manager, 1970

 

Sozialrebellen oder Gangster – Zur Geschichte und Arbeitsweise der Mafia, 1970

 

Über Leichen an die Spitze. Geschichte, Praxis, Erfolge der Mafia, 1971

 

Auf dem Weg zum Gefängnis ohne Mauern – Vollzugsgruppenarbeit in Hannover, 1971

 

Die Schüsse von Kent, Dokumentarbericht zur Studentenbewegung in den USA, 1971

 

Schule der Nation oder Schule des Widerstands, Dokumentarbericht zur Anti-Kriegsbewegung in den USA, 1971

 

Vom Sexualobjekt zur Revolutionärin – Die Frau in der antiimperialistischen Bewegung, 1972

 

Young Lords – Die Partei der Puertoricaner in den USA, 1972

 

Lumpen oder Proletariat – Organisationsversuche revolutionärer Minderheiten in den USA, 1972

 

Soziales Elend in einem reichen Land – Zum Alltag der Minderheiten in den USA, 1972

 

Menschen ohne Menschenrechte – Zur Situation der Indianer in den USA, 1973

 

Irland-Report I, II, III – Geschichte und Entwicklung eines Problems, 1973

 

Die Chicanos – Zur Rolle der mexikanischen Minderheit in den USA, 1973

 

Des roten Mannes Hüter – Das Verhältnis der Indianer zum BIA, 1973

 

Acht Jahre Streik in Coachella – Arbeitskämpfe der Farmarbeiter in den USA, 1973

 

Vierundsiebzig Cents für einen Morgen – Der Kampf der Pit River-Indianer um ihr Land, 1973

 

Blutige Kohle – Zur Situation der Bergarbeiter in den USA, 1974

 

Spanish Harlem – Bericht aus einem New Yorker Ghetto, 1974

 

Puerto Rico – Schaufenster der USA in der Karibik, 1975

 

Jamaica: Zwischen Sklaverei und Revolution – Eine Zustandsbeschreibung, 1976

 

Der Krieg, der nie statt fand – Bericht zum Konflikt um die Westsahara, 1976

 

Dreadlocks in Babylon – Die Rastafari-Bewegung in Jamaica, 1976

 

Cuba Libre – Sechs Kapitel über den kubanischen Sozialismus, 1977

 

Eritrea und die Folgen, Bericht zu einer Reise ins östliche Afrika, 1977

 

Souverän im Jahr 2000, Bericht über Panama und den Kanal, 1977

 

Guyana: Zwischen Unterentwicklung und Sozialismus – Eindrücke aus einem vergessenen Land, 1978

 

Das Volk mit den Mondkindern – Bericht über einen Indianerstamm in Panama, 1978

 

Sandino – Ein Porträt, 1978

 

Haiti – Im 8. Jahr der Liberalisierung, 1979

 

Pan – Musik aus Trinidad, 1979

 

Traumwelt Karibik – Kontrastprogramm oder Profile einer Krisenregion, 1979

 

Karibische Frauen – Zwischen Sklaverei, Selbstbefreiung und Black Power, 1980

 

Black Power - Black Consciousness – Das schwarze Denken in der Karibik und den USA, 1980

 

Afrika im Herzen – Der Kampf der schwarzen Amerikaner gegen die Integration, 1981

 

Kolumbus kam zu spät – Zur Entdeckung Amerikas durch Schwarzafrikaner, 1982

 

Mitbürger oder Sündenbock – Bericht über die Unsicherheit der Ausländer unter uns, 1982

 

Die Heimkehr der verlorenen Stämme – Über schwarze Juden und Falaschen, 1986

 

Reise durch das Land von Kunta Kinte – Bericht aus Gambia, dem kleinsten Staat Afrikas, 1987

 

Wie man die Fässer zum Klingen brachte – Geschichte und Entwicklung der Steelbands in Trinidad, 1987

 

Rentnerland oder Einwanderungsland? – Die BRD nach dem Jahr 2000, 1988

 

Kampf für die „Carpet Boys“ – Kinderarbeit und Schuldknechtschaft in Indien, 1990

 

Pestizide, der giftige Segen – Fortschritt und Gefahr durch Pflanzenschutzmittel, 1992

 

Sklaverei ist verboten – Bericht über Formen und Ausmaß der modernen Sklaverei, 1993

 

Buchtitel Aufstand in den Ghettos – Zur Organisation des Lumpenproletariats in den USA, 1972
Buchtitel Bericht über den politischen Wi­ derstand in den USA, 1974