Sabine Sass Rudolf Sass 1929-2009
Es war Manfred Eisenbeis, der Dolf Sass auf die HfG aufmerksam machte. Er und Sass arbeiteten in einem Verlag in Kiel, dort erlernte Dolf Sass den Journalismus. Als der Kieler Verlag an Gruner und Jahr verkauft wurde, ging Dolf Sass zu Burda in Offenburg. Später, für zwei Jahre, arbeitete er in amerikanischen Werbeagenturen in München und Hamburg. Dort erreichte ihn ein Brief von Manfred Eisenbeis: „In Ulm entsteht die Hochschule für Gestaltung – HfG. Das ist genau das, wovon wir immer geträumt haben. Melde Dich sofort da an, wie ich es schon getan habe.“
Ich denke, es war zu dieser Zeit einmalig in Deutschland, dass eine Hochschule für Gestaltung auch das Fach Information anbot. Hier sollten die Studenten ausgebildet werden für Presse, Rundfunk, Fernsehen und Film. Sie sollten die Probleme, Methoden und Techniken der verschiedenen Massenmedien lernen und beherrschen. Den Ulmern lag auch daran, Fehler des Weimarer und Dessauer Bauhauses zu vermeiden, nämlich in der Öffentlichkeit mit ihrer Arbeit nicht verstanden zu werden.
Welche Fächer waren Dolf Sass wichtig? Da ich – Sabine Sass – seit 1960 als Studenten-Ehefrau in einem der Ateliers auf dem Oberen Kuhberg lebte, Freunde unter den Studenten und Dozenten hatte und an unzähligen Veranstaltungen und Diskussionen teilnahm, kann ich sagen: alle Fächer waren ihm wichtig. Ganz besonders die Grundlehre mit ihrem breiten Spektrum an Wissen und Erfahrungen. Gert Kalow vermittelte auf inspirierende Weise alle Techniken des Schreibens, formal und inhaltlich. In seiner Abteilung entstanden Essays, Glossen, Kritiken, Hörspiele. Die Gemeinschaftsarbeit „Die Party“ wurde auch gesendet.
Eine besondere Beziehung entwickelte sich schon während dieser Studienzeit zu Inge Aicher-Scholl und Otl Aicher. Für die von Inge Aicher-Scholl geleitete „vh Ulm“ schrieb Sass zu den Fotos von Sissi Maldonado und Tomás Gonda zeitkritische Texte; auch für eine Gewerkschaftszeitung erstellte er Beiträge, geprägt von einem starken gesellschaftlichen und sozialen Engagement. In die Zeit fiel auch ein Volontariat beim „Kulturellen Wort“ des WDR in Köln.

Nach dem Ende seines Studiums an der HfG – Sass verließ sie ohne Abschluss – ging er mit Harry Pross an den Funk in Bremen. Pross war einer seiner Dozenten in Ulm gewesen und seit 1963 Chefredakteur in Bremen.
Otl Aicher hatte sich inzwischen Rotis aufgebaut. Er wollte Sass für gemeinsame Arbeiten nach Ulm / Rotis holen. Gleichzeitig suchte Eberhard Ebner – ein Freund der HfG – jemanden, der mit ihm für die ererbte Zeitung ein neues Erscheinungsbild erarbeitete. Eine sehr komplexe Aufgabe, und das lange, bevor andere deutsche Regionalzeitungen sich ein neues Erscheinungsbild gaben. Nick Roericht war der Verbindungsmann, und Dolf Sass ging mit Freude zurück nach Ulm für diese reizvolle Aufgabe; auch, um wieder im Dunstkreis der HfG und Otl Aichers arbeiten zu können.
Später blieb Sass dann Redakteur bei dieser Zeitung, der „Südwest Presse“. Über Otl Aicher, Hans G. Conrad und Hermann Roth kam es zu einer jahrelangen Kooperation mit der Deutschen Lufthansa. Es entstanden Texte für Bordbücher und „Lufthansa’s Germany“. Georg Rauch, ein sehr bekannter Zeichner dieser Zeit, ergänzte die Texte mit gesellschaftskritischen Karikaturen. Zu zwei Fotobänden von Otl Aicher, „Flugbild Deutschland“ und „Im Flug über Europa“ schrieb Sass die Texte, mit Tomás Gonda zusammen machte er Werbefilme.
Otl Aicher bezeichnete einmal die Texte von Dolf Sass als „Trojanische Pferde“, die in unerwartet kritischer Distanz zu den Hochglanzbildern über Deutschland standen. Diese Texte stellten fast immer in Frage und zeigten, dass die Deutschen durchaus zur Selbstkritik fähig waren.
Dolf Sass hatte noch bewusst das Dritte Reich erlebt und die Nachkriegszeit in den Universitäten und Hochschulen, in der das gesamte politische Leben von alten Nazis bestimmt wurde. Die Ulmer Hochschule mit dem Ethos ihrer Gründungsmitglieder, den im Schnitt sehr jungen Dozenten und den Studenten aus aller Welt war für ihn ein Geschenk, eine Befreiung – und das zehn Jahre vor 1968.

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Zitation
Sabine Sass "Rudolf Sass 1929-2009" in: David Oswald, Christiane Wachsmann, Petra Kellner (eds) Rückblicke. Die Abteilung Information an der hfg ulm. Ulm, 2015, pp. 140-143, online unter http://www.hfg-ulm.info/de/rueckblick_dolf-sass.html
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