
David Oswald, Christiane WachsmannSchreiben als Designdisziplin: Die Abteilung Information der HfG Ulm
Abstract
An der Ulmer Hochschule für Gestaltung (1953-1968) gab es einen vielversprechenden Ansatz, sowohl visuelle als auch verbale Kommunikation zu unterrichten. Obwohl dies in getrennten Abteilungen stattfand, kann man von einem wegweisenden Versuch sprechen, Form, Inhalt, Theorie und Praxis zu verbinden. Die Abteilung Information wurde bereits bei der Gründung der Hochschule neben den Abteilungen für Visuelle Kommunikation, Produktdesign und Bauen geplant. Schreiben bzw. verbale Kommunikation wurde als eine den zwei- und dreidimensionalen Gestaltung gleichgestellte Disziplin betrachtet. Im Vergleich zur florierenden Abteilung Visuelle Kommunikation verkümmerte die Abteilung Information jedoch regelrecht, nicht zuletzt aufgrund hochschulpolitischer und personeller Konflikte. Ein genauerer Blick auf die Geschichte der HfG zeugt trotzdem von einer großen Bedeutung der Abteilung Information für das Selbstverständnis und das Profil der Hochschule insgesamt. Die Geschichte der Abteilung könnte somit auch – über diese designgeschichtliche Relevanz hinaus – zu einer Diskussion um eine größere Rolle der Sprach- und Schreibkompetenz in der heutigen Designausbildung anregen.
1. Einleitung
Otl Aicher, Grafiker und Mitbegründer der Ulmer Hochschule für Gestaltung, schreibt 1975 im Rückblick, gegenüber dem Bauhaus sei es eine Neuheit an der HfG gewesen, „textierung als gleichwertige gestaltungsdisziplin wie grafik-design, produkt-design oder bauen“ aufzufassen (Aicher, 1975). So gab es an der Ulmer Hochschule neben den Abteilungen Visuelle Kommunikation, Produktgestaltung und Bauen von Anfang an einen Bereich, in dem die Gestaltung von Texten der Visuellen Gestaltung im zwei- wie im dreidimensionalen Bereich ebenbürtig an der Seite stand: Die Abteilung Information.
Wie es zu diesem integrativen Ansatz kam, erklärt sich aus der Entstehungsgeschichte der Schule und dem gesellschaftsgeschichtlichen Kontext, in dem sie konzipiert wurde. Im ursprünglichen Konzept begriff sich die Schule als eine antifaschistisch-demokratischen Einrichtung für ganzheitliche Bildung. Die Abteilung Information ist in diesem Verständnis der Schule verwurzelt. Und obwohl die Informationsabteilung, gemessen an ihrer Größe, unbedeutend erscheinen mag, verkörpert sie das, was Ulm ausmachte: die Vorstellung von Gestaltung als gesellschaftlich relevante und letztlich intellektuelle Tätigkeit. Durch die Einrichtung der Abteilung Information und durch ungewöhnlich viele kontextschaffenden Wissenschaften wurde dieser Ansatz von den Gründern der Schule in die Struktur der Schule eingeschrieben.
In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, dass die Informationsabteilung und die „Kulturelle Integration“ genannten begleitenden allgemeinbildenden Kurse, ein Schlüssel zum Verständnis der HfG Ulm sind. Der Einfluss der Abteilung auf das dezidiert intellektuelle Klima der Schule scheint deutlich größer gewesen zu sein, als die gängigen Publikationen über die HfG und die zeitgenössische Forschung vermuten lassen. In Ulm profitierten nicht nur Studenten, die in der Abteilung Information eingeschrieben waren, von der Auseinandersetzung mit verbaler Kommunikation. Auch Studierende anderer Fachbereiche profitierten von dieser Abteilung und von den Kursen der „Kulturelle Integration”, in denen sie Text- und Sprachtechniken erlernen konnten. Es waren vor allem die Lehrenden der Abteilung Information, die die Studierenden der HfG motivierten und befähigten, sowohl gestaltete Artefakte als auch den Gestaltungsprozess zu reflektieren, zu analysieren und zu beschreiben. Dies hatte nachhaltige Auswirkungen auf die Designtheorie, die Designrezeption und -dokumentation im In- und Ausland - weit über die Schließung der Hochschule hinaus.
2. Die Entstehung der Ulmer HfG und die Rolle der Informationsabteilung
Die Einrichtung der Informationsabteilung erklärt sich aus dem ursprünglichen ganzheitlichen politischen Konzept der HfG. Dieses einzigartige Konzept hat den Diskurs und die Haltung der Schule bis zu ihrer Schließung entscheidend geprägt, auch wenn es insbesondere nach der Ernennung von Max Bill zum Rektor der Schule im Jahr 1950 einige Veränderungen erfuhr.
In späteren Schulprogrammen, wie das von 1958/59, wird die Abteilung als „Journalistenschule“ beschrieben,1 was sowohl dem ursprünglichen Konzept als auch der Entwicklung der Abteilung in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre nicht gerecht wird. Daher soll zunächst der historische Hintergrund der HfG und der Abteilung Information näher beleuchtet werden.
Die Ulmer Hochschule für Gestaltung wurde 1953 von Inge Scholl, Otl Aicher und Max Bill gegründet. Hans und Sophie Scholl – Inge Scholls Geschwister – engagierten sich als Mitglieder der Weißen Rose im aktiven Widerstand gegen den Hitlerfaschismus, was sie am Ende mit ihrem Leben bezahlten (Aicher-Scholl, 1947; Zankel, 2008). Nach Kriegsende entwickelte Inge Scholl mit Otl Aicher, der ein Freund der Geschwister Scholl war, Konzepte für einen Neubeginn und die Entwicklung der Demokratie in Deutschland. Sie waren besorgt über „die Richtungslosigkeit im öffentlichen Leben” und stellten fest: „der einzelne selbstverantwortliche mensch war der träger des widerstandes. auf seinen schultern ruht auch die zukunft. sie hängt davon ab, ob genügend selbstbewusste, freie und unabhängige menschen heranreifen.”2 Diese Gruppe, sie hatte sich den Namen „Studio Null” gegeben, suchte Kontakte zu Intellektuellen, die sich während der Nazizeit vom öffentlichen Leben zurückgezogen hatten oder emigriert waren und nun nach Deutschland zurückkehrten. Zunächst wurde eine Reihe von Vorträgen organisiert, die sich gegen die rasch einsetzende Tendenz zu Verdrängung und Verharmlosung richteten. Sie sollten aufklären und einen politischen und kulturellen Neuanfang bestärken. Die Vortragsreihe stand damit in der anti-faschistischen, humanistisch-christlichen Tradition der „Weißen Rose“. Die Teilnehmer der Gruppe diskutierten Themen wie Städteplanung, neue Lebensformen, den Wiederaufbau in Ulm und die Einrichtung von Flüchtlingswohnungen mit einfachen Mitteln. Aus diesen Aktivitäten entstand 1946 die Ulmer Volkshochschule, die unter der Leitung von Inge Scholl eine einzigartige Mischung aus weiterbildenden Vorträgen, Diskussionsrunden und Hilfsangeboten für das tägliche Leben in Form von Kursen bot.
Otl Aicher entwarf das Erscheinungsbild für die „vh“, unter anderem die in einem Baukastensystem bestückten Plakatsäulen samt den dazugehörigen Plakaten sowie Publikationen wie den „Ulmer Monatsspiegel“. Diese Zeitschrift bot ein Forum für die Auseinandersetzung mit politischen, gestalterischen und alltagsrelevanten Themen.3 Hier zeigt sich Aichers Anliegen, und auch sein Talent, visuelle Erscheinungsbilder und verbale Kommunikation im Einklang miteinander zu gestalten. Sowohl bei seiner Arbeit für Firmenkunden als auch bei seinen eigenen Publikationen verband er visuelle Gestaltung mit redaktioneller Arbeit, er suchte den gedanklichen Austausch mit Schriftstellern und Geisteswissenschaftlern und griff auf das Können von Journalisten zurück.4 Diese ganzheitliche Auffassung spielte bei der Einrichtung der Informationsabteilung an der HfG eine bedeutende Rolle. Bereits Ende der Vierziger Jahre begannen Inge Scholl und Otl Aicher gemeinsam mit dem Schriftsteller Hans Werner Richter mit den Planungen für eine Hochschule in Ulm, die auf dem Konzept der Volkshochschule aufbauten.5 Junge Menschen sollten hier für die Teilhabe an einem demokratischen Staatswesen ausgebildet werden: Journalisten, Lehrer, Gestalter. Mehrere Abteilungen waren vorgesehen, an erster Stelle Politische Methode, gefolgt von Presse/Rundfunk, Werbung/Information, Foto/Film, Produktdesign, Architektur und Städtebau. Für die Allgemeinbildung waren Kurse in Soziologie, Wirtschaft, Politik und Geschichte vorgesehen.6 Während die Liste der Abteilungen noch Änderungen unterworfen war, sollte die obligatorische Allgemeinbildung für Studierende aller Abteilungen bis zur Schließung der Schule im Jahr 1968 beibehalten werden.

Als Scholl und Aicher Max Bill als Unterstützer gewinnen konnten, wuchsen die Chancen auf Finanzierung und Realisierung der Schule. Der Bauhausschüler Max Bill war damals, im Gegensatz zu Otl Aicher, bereits ein international angesehener Designer, Architekt und Künstler. Er verlieh dem Projekt die für potentielle Geldgeber unabdingbare professionelle Glaubwürdigkeit. Der Preis dafür war eine deutliche Verschiebung des Schulkonzeptes, weg von Politik und aufklärerischem Journalismus, hin zu den vom Bauhaus bekannten Gestaltungsdisziplinen Bauen, Produkt, Grafik. Einen wichtigen Einfluss übte hier auch Walter Gropius (1950) aus, der seit Mai 1950 in einem Briefwechsel mit Max Bill regen Anteil an der Konzeption der Hochschule nahm. „Ich habe Zweifel, ob es möglich ist, unter einem Dache eine Schule für Methodologie in Politik und in künstlerischer Gestaltung gleichzeitig aufzubauen. […] Es wird ein Kampf entstehen, wer die Führung hat, der Lehrer in Politik oder Lehrer in Kunst. […] Die Entwicklung künstlerischer Gestaltung muss vollkommen frei sein. Politik, Presse, Publizität sind ihr unterzuordnen, nicht umgekehrt”, schreibt er 1950. (zitiert nach Senckendorff, 1989). Dies entsprach auch Bills Vorstellungen. Er hielt zwar eine politische Allgemeinbildung für wünschenswert, wollte diese aber nur im Rahmen der geplanten Grundlehre anbieten. Die Abteilung Information interessierte ihn vor allem insoweit, als er hier eine Möglichkeit sah, über die Arbeit von Gestaltern berichten zu können – wobei er die Hauptaufgabe der Werbung in der „Information über Produkte“ sah.7 Aus der „Geschwister-Scholl-Schule“ für politisch fundierte, ganzheitliche Bildung, wurde unter Bills Leitung die „Schule für Gestaltung“, die auch einen gewissen Anteil politischer Bildung integrieren sollte. Nachdem sich Bill in dieser Form durchgesetzt hatte, zog sich Hans-Werner Richter im Jahr 1950 aus dem Projekt zurück. Er hinterließ eine schwer zu füllende Lücke im Themenbereich Politik und Journalismus. Dies hatte den Effekt, dass die Abteilung Information bei der HfG-Gründung im Jahre 1953 zwar in den Schulbroschüren angekündigt wurde, im Vergleich zu den anderen Abteilungen existierte für sie aber eine deutlich weniger konkrete Planung: Eine treibende Kraft war für sie noch nicht gefunden. Die Ankündigung in den Informationsbroschüren für Studieninteressierte klingt sehr praxisorientiert und journalistisch-werblich: „Die Abteilung wird in der Art einer Redaktion oder der Werbeabteilung eines Betriebes durchgeführt. Die publizistischen Grundlagen und Arbeitsweisen werden so erlernt, wie es die Praxis erfordert. Eine Erweiterung der Abteilung in Richtung Rundfunk und Fernsehen wird vorbereitet.“ 8 Die damals neuartige Zusammenstellung von Themen und Fächern wirkt heute nicht allzu außergewöhnlich. Jedoch waren Studiengänge für Journalismus noch kaum entwickelt. Die wenigen universitären Journalismus-Institute 9 zeigten unmittelbar nach dem Krieg Auflösungserscheinungen. Wie B. Murner 1960 im Handelsblatt schrieb, hatten zahllose Professoren das Dritte Reich offen unterstützt und konnten deshalb nicht mehr in ihre Ämter zurückkehren. In den zwölf Jahren der Nazizeit war der Journalismus als Ausbildungs- und Forschungsfach höchst zweifelhaft geworden (Murner, 1960). Die meisten angehenden Journalisten waren damals studierte Geisteswissenschaftler, die erst im Anschluss an ein Studium die journalistische Arbeitsweise in der Berufspraxis lernten.10 Die ursprünglichen Ideen der Schulgründer waren in den Hintergrund gerückt - vor allem in den offiziellen Verlautbarungen und Programmen der Schule. Ab Herbst 1954 wurde durch das Engagement von Max Bense der ursprüngliche Ansatz zumindest teilweise wiederbelebt, denn Bense baute nicht nur die Abteilung Information auf, sondern auch die für alle Studierenden vorgesehene Allgemeinbildung, die nun „Kulturelle Integration“ genannt wurde.

Bense gehörte auch zu den ersten Gastdozenten, die direkt nach der Eröffnung der HfG 1953 dort unterrichteten. Er wurde 1954 der erste Leiter der Abteilung Information. Bense hatte u.a. Physik, Mathematik und Philosophie studiert (Walther, 2003). Bense teilte seine rational-wissenschaftliche Orientierung, das Interesse an konkreter Kunst und die Ablehnung Hitlers mit seinen Ulmer Kollegen. Neben seinen wissenschaftlichen Studien 11 verfasste er zudem mehrere Bände konkreter Poesie. Der Übergangslehrplan für das Studienjahr 1953/54 führt ihn als Gastdozenten auf, für eine Vorlesungsreihe zu „Ästhetik“ und für ein Seminar mit dem Titel „Die Lehre vom Schönen und von der Seinsart der Kunstwerke“.12 Im Gegensatz zu Richter war Bense sehr interessiert am jetzt gestaltungsorientierten Ulmer Projekt. Durch seine ordentliche Professur an der Technischen Hochschule Stuttgart konnte er in Ulm jedoch nur als Teilzeit-Abteilungsleiter für Information dienen. Trotzdem übernahm er die Verantwortung für die konzeptionell-curriculare Entwicklung der Abteilung und unterstützte die Schulleitung bei der Suche nach einer Person, die sich hauptamtlich um die Abteilung kümmern sollte. In einer überarbeiteten Version der HfG-Informationsbroschüre von 1955 wird Benses inhaltlicher Einfluss deutlich: „Die im Aufbau begriffene Abteilung Information beschäftigt sich mit den Problemen der Information und Kommunikation. Ihr Arbeitsgebiet reicht von der einfachen Pressemeldung über Werbung und Rundfunk bis zu den Auswirkungen der Cybernetik.“ 13 Der Fokus wird nun mit den Begriffen „Information“ und „Kommunikation“ beschrieben. Das klingt merklich theorielastiger und deutlich weniger nach Schreibhandwerk. Presse und Werbung werden erst an zweiter Stelle erwähnt und mit Kybernetik ergänzt — eine damals aufkommende wissenschaftliche Disziplin, die sich mit Steuerungssystemen beschäftigt und die zu einem Vorläufer der Informatik werden sollte(Oswald, 2012). Nach Hans Werner Richters Rückzug aus Ulm gab es vergebliche Versuche, andere progressive Autoren für die Leitung der Abteilung zu gewinnen.14 1955 begannen Gespräche mit dem Schriftsteller Arno Schmidt, einem der bedeutendsten deutschen Nachkriegsautoren.15 Die Verhandlungen mit Schmidt scheiterten wohl hauptsächlich daran, dass Max Bill das entscheidende Gespräch führte und mit seiner Vorstellung von der Informationsabteilung als Dienstleister für die HfG-Öffentlichkeitsarbeit und als Werbetextlieferant für die Abteilung Visuelle Kommunikation nicht hinterm Berg hielt. „denn abgesehen davon, daß man damals nur erst den Problemen visueller Gestaltung nachging – nach der sprachlichen Seite hin also weder Umfang noch überhaupt Absicht feststanden – lag der Hauptgrund für meine Absage in der Persönlichkeit Herrn Bills“, schreibt Schmidt im Rückblick an Tomás Maldonado.16

3. Ein experimenteller Lehrplan
Bense veröffentlichte seine Pläne für die Abteilung 1956 in Alfred Anderschs Literaturzeitschrift „Texte und Zeichen“ (Bense 1956b). Unter dem Titel „Texte und Zeichen als Information: Ein experimenteller Lehrplan für Information an der Hochschule für Gestaltung, Ulm“, wird in der Einleitung, ohne große Bescheidenheit, eine radikale Umwälzung in der Literatur-Theorie angekündigt. So sollen Texte in Zukunft nur noch auf „das Maß ihres Informationsgehaltes hin“ betrachtet werden. Eine enge Zusammenarbeit mit der Visuellen Kommunikation wird angekündigt, denn schließlich, so Bense, basieren beide Formen der Kommunikation auf den Grundwissenschaften „Allgemeine Semantik“ und Informationstheorie. Bense teilt den Lehrplan in zwei Bereiche: Informationslehre und Experimente einerseits und (journalistische)Informationspraxis andererseits. Die Beschreibung der Inhalte der Informationslehre und Experimente füllt zwei Seiten mit einer detaillierten Auflistung von 31 Themen. Die Informationspraxis dagegen wird in einem Absatz aus zwei Sätzen abgehandelt: Eine deutliche Betonung von Theorie und Experiment auf Kosten der ursprünglich geplanten journalistisch-werblichen Ausrichtung.
Auszüge aus Benses Lehrplan der theoretischen Information (Bense, 1956b):
- Logik, philosophische Grammatik, Semantik, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Statistik, mathematische Analyse der Sprache.
- Informationstheorie, Übertragungstheorie, Übersetzungstheorie, Texttheorie.
- Allgemeine nachrichtentechnische Themen.
- Sprachliche und nichtsprachliche Information. Wesen, Mittel, Vermittlung und Transformation der Information.
- Kommunikationsschemata und Informationsschemata.
- Wahrnehmungstheorie und Darstellungstheorie für Zeichen und Signale, Ideen und Objekte.
Auszüge aus Benses Lehrplan für experimentelle Informationen (Bense, 1956b):
- Verwandlung von natürlichen Sprachen und Kunstsprachen in Präzisionssprachen.
- Rastertechniken, Raffertechniken und Montagetechniken
- Formenkonzentration und -dispersion, Themenkonzentration und -dispersion
- syntaktische und semantische Kurzformen, Verdichtungen, Entstellungen, Dehnungen, Verfremdungen
- akzidenielle und attributive Beschreibungen, phänomenologische Reduktionen und Bedeutungsentleerungen.
Die vorgestellten Pläne basierten tatsächlich auf einem radikalen Ansatz im Umgang mit Text. Die Anwendung naturwissenschaftlicher, empirischer und mathematischer Methoden auf alle Texte, sei es eine Pressemeldungen oder ein Gedicht, war damals so ungewöhnlich wie heute. Die übliche empathische Interpretation künstlerischer Literatur wurde strikt abgelehnt. Die geisteswissenschaftliche Text-Exegese sollten durch die präzisen analytischen Mittel der Statistik, Logik und Syntaktik ersetzt werden. Sprache wurde nicht mehr als Mittel des künstlerischen Ausdrucks untersucht, sie wurde analytisch auseinandergenommen, experimentell wieder zusammengesetzt. Hier unterscheidet sich die Abteilung Information nur im bearbeiteten „Material“ von den anderen Abteilungen der HfG. Die künstlerische oder kunsthistorische Betrachtung von Malerei war für die moderne Visuelle Kommunikation genauso unbrauchbar, wie die Bildhauerei für das Produktdesign. Zudem fällt es nicht schwer, Parallelen zwischen den syntaktisch-grammatischen Übungen aus Benses Lehrplan und einigen von Maldonados Grundlehreaufgaben wie Rasteroberflächen, Paeno-Kurven oder Exakt-Inexakt zu sehen. Bense nutzt zur Beschreibung seiner Experimentellen Information ein ähnliches Vokabular: Transformation, Abstraktion, Rastertechnik, Montage, Formenkonzentration und -dispersion, etc. Auch die Modularisierung, die später das Produktdesign und die Abteilung Bauen prägt, klingt bei Bense an, wenn er in Bezug auf Sprache von „Syntaktik, Strukturen und Elementen“ spricht. (Oswald, 2012) Bense war es durch seine Verpflichtungen in Stuttgart nicht möglich, seinen Plan ohne Unterstützung umzusetzen. Er vermittelte Kolleginnen und Kollegen, um die personellen Lücken zu füllen, unter anderem seine damalige Assistentin Elisabeth Walther und den Schriftsteller Alfred Fabri. Die Dozenten der Informationsabteilung unterrichteten aber nicht nur die wenigen Studierenden dieser Abteilung. Im Rahmen der „Kulturellen Integration“, dem wissenschaftlich-theoretischen Pflichtprogramm, kamen Studierende aller Abteilungen mit den Dozenten der Information und den entsprechenden Inhalten in Kontakt. Dieser Input war sicher kein unwesentlicher Beitrag zum intellektuellen Klima der HfG und trug damit zumindest mittelbar zu den wissenschaftsorientierten Reformen von 1957/58 bei. Bense war zwar keineswegs kunstfeindlich eingestellt – er schätzte Bill und seine konkrete Kunst sehr 17 – aber sein inhaltlicher Einfluss dürfte trotzdem eine der Triebfedern für die wissenschaftlichere Orientierung der Schule gewesen sein, die letztendlich auch die Trennung von Max Bill mitbewirkte. Benses Seminare und Vorlesungen zu Philosophie, Wissenschaftstheorie, Logik, Linguistik, Mathematische Operationen, Statistik und Kommunikationstheorie hinterließen deutliche Spuren in der gestalterischen Praxis der HfG. Als Max Bense 1958 die Hochschule verließ, arbeitete die erste Generation der Informations-Studierenden bereits an ihren Abschlussarbeiten. Während in allen anderen Abteilungen jedes Jahr kontinuierlich Studierende aufgenommen worden waren, begann in der Abteilung Information erst wieder in den Jahren nach 1958 eine zweite Generation ihr Studium. Dadurch waren lediglich fünf Absolventen der maximalen Bense-Dosis ausgesetzt. Auch wenn die Zahl von fünf Individuen es kaum zulässt, allgemeine Zuschreibungen vorzunehmen, ist es doch auffällig, dass die erste Generation in ihrem Berufsleben verstärkt in nicht-journalistischen Bereichen gearbeitet hat (Müller-Krauspe , Wenzel & Kellner, 1998).

4. Publizisten für die Massenmedien
Mit dem Beginn des Studienjahres 1958/59 kamen fünf neue Studenten an die HfG, die die Absicht hatten, später in die Informationsabteilung einzutreten. Sie fanden eine vollkommen andere Abteilung als ihre Vorgänger, mit anderen Schwerpunkten und Zielsetzungen vor. Zunächst mussten diese Studenten allerdings ihr Grundjahr absolvieren. Nur einen kleinen Teil ihrer Zeit verbrachten sie mit abteilungsspezifischen Übungen. Gastdozent im Fach „Publizistik” war unter anderen der Autor und Journalist Gert Kalow, der schon im Jahr davor in der Abteilung unterrichtet hatte. Im Januar 1960 wurde Kalow fester Dozent an der Hochschule und gleichzeitig Leiter der Abteilung Information. Unter seiner Führung orientierte sich die Abteilung vermehrt in Richtung einer praxisorientierten journalistischen Arbeit. (Wachsmann, 2015)
Im Zentrum seines Unterrichts stand das „Schreiben lernen“, nicht nur für gedruckte Medien, sondern auch für das neue Massenmedium Radio. Auch die Beschäftigung mit Film und Fernsehen war zumindest geplant. Bereits im HfG-Programm von 1952 hatte es in Bezug auf die Informationsabteilung geheißen: „Eine Erweiterung der Abteilung in Richtung Rundfunk und Fernsehen wird vorbereitet“.18 Mehrere Informations-Studenten hatten die Gelegenheit, im Ferienquartal bei verschiedenen Radiosendern zu volontieren. Auch im praktischen Teil ihres Unterrichts, zum Beispiel bei dem Rundfunkredakteur Bernd Rübenach und Gert Kalow, schrieben die Studenten Hörspiel-Scripte.
Gert Kalow setzte sich nun erneut für die Einrichtung eines Hörstudios ein. Auf seine Initiative hin stiftete verschiedene westdeutsche Sendeanstalten Geräte für dessen Ausrüstung. Als das Tonstudio Ende 1962 endlich arbeitsfähig war, befand sich die Informationsabteilung allerdings weitgehend in Auflösung.

5. Stagnation und schleichende Auflösung in den 1960er Jahren
1962 geriet die HfG aufgrund finanzieller Schwierigkeiten und parteipolitischer Auseinandersetzungen in eine schwere interne Krise. Der gleichzeitige Niedergang der Abteilung Information stand in engem Zusammenhang mit dieser Krise und war in erster Linie eine Folge von Personalkonflikten und Hochschulpolitik.
Von Anfang an waren nur sehr wenige Studienbewerber und -bewerberinnen an einer text- und sprachorientierten Abteilung interessiert. Ein Anstieg der Bewerberzahlen für die Abteilung von 1958 bis 1960 erwies sich als kurzlebig: 1961 war der Rückgang unumkehrbar. Der Trend wurde durch die fehlende Werbung für die Abteilung noch verstärkt; nur wenige Bewerber wussten überhaupt von ihrer Existenz.19 Zudem stand der einzige feste Dozent, Gert Kalow, der Abteilung auch nicht in vollem Umfang zur Verfügung. Bereits im Juli 1960 war er zum Vorsitzenden des neuen Rektoratskollegiums gewählt worden. Mit Begeisterung stürzte er sich in die neue Aufgabe, die er vor allem darin sah, Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen an der HfG zu schaffen. (Wachsmann, 2015)
Im Oktober 1961 dann ließ Kalow sich überraschend beurlauben: Er hatte ein Stipendium von der Rockefeller-Stiftung bekommen und kam nur noch sporadisch nach Ulm. Für ihn sprang der Publizist Harry Pross ein, der eigentlich den Soziologie-Unterricht an der HfG übernehmen sollte. Die Leitung der Informationsabteilung übernahm in diesem Jahr der Mathematiker und HfG-Dozent Horst Rittel.20 Inzwischen war die HfG in eine handfeste innere Krise geraten, in der Rittel eine entscheidende Rolle spielte: Im Streit um den Stellenwert der wissenschaftlich-theoretischen Fächer für den Unterricht standen sich zwei Dozentengruppen um Aicher und Rittel unversöhnlich gegenüber. Dabei fanden sich die Lehrer der Informationsabteilung bezeichnenderweise auf der Seite der Theoretiker wieder. Die Arbeit mit dem Material Sprache wurde – der Konzentration auf den Bereich Journalismus in dieser Zeit zum Trotz – nicht dem „angewandten“ Bereich, sondern den wissenschaftlichen Disziplinen zugeordnet, die in den Augen Aichers um 1962 einen zu großen Raum an der Hochschule einzunehmen drohten, auf Kosten der Gestaltung. Gleichzeitig wurde die – von Horst Rittel gerne auf die Spitze getriebene – Frage evident, ob es sich bei der HfG um eine „richtige“ Hochschule handele, mit eben jenem wissenschaftlichen Anspruch, der sich auch in der Organisation der Diplomprüfung ausdrückte, – oder doch „nur“ um eine Fachschule für Gestalter.

Die erbitterten, oft ins Persönliche gehenden Auseinandersetzungen dieser Jahre führten nicht zuletzt zum endgültigen Niedergang der Informationsabteilung. Die Ausstrahlung, die sie in der Zeit von Max Bense besessen hatte, die noch bis in die Sechziger Jahre von ihren Dozenten ausgehende intellektuelle Herausforderung, war verblasst.
Gert Kalow nahm seinen Unterricht im Januar 1963 zwar wieder auf, wechselte aber bereits im Juli 1963 als Leiter der Abteilung „Literatur“ zum Hessischen Rundfunk nach Frankfurt und schied als Festdozent endgültig aus. (Wachsmann, 2015) Auch Horst Rittel verließ die Schule, Pross wurde nicht wieder engagiert. Die drei verbleibenden Informationsstudenten nahmen nun weitgehend am Unterricht der neu entstandenen Filmabteilung oder der Visuellen Kommunikation teil. Im Hochschulprogramm von 1964/65 heißt es über die Abteilung Information: „zur zeit befindet sich die abteilung information in einer inhaltlichen und organisatorischen umbildung. die studierenden der abteilung information beteiligen sich in diesem jahr zum teil an dem programm des sektors film, insbesondere an den sprachlichen übungen.“ (HfG, 1964) Otl Aicher, dem die Informationsabteilung und ihre Möglichkeiten in der Ausbildung immer allen Widrigkeiten zum Trotz ein Anliegen gewesen war, versuchte in dieser Zeit noch einmal, ein sprachlich-literarisch geprägtes Programm für die Informationsabteilung aufzustellen. Er griff dabei auf seine Kontakte zu deutschen Avantgarde-Autoren zurück, die in der „Gruppe 47“ organisiert waren.21 An Ilse Grubrich, die ihr Studium in der Informationsabteilung der HfG 1959 abgeschlossen hatte und in dieser Zeit beim S. Fischer Verlag als wissenschaftliche Lektorin arbeitete, schrieb Aicher: „falls wir uns dazu entschließen sollten, diese abteilung neu aufzubauen, müßten wir zuerst eine personelle konzeption finden, die dafür garantieren könnte, daß die abteilung wieder einen ruf bekommt, wie sie ihn zur zeit bense's einmal gehabt hat.“ 22 1968 wurde die Ulmer Hochschule komplett geschlossen. Zahlreiche Dozenten und Absolventen wechselten nun als Lehrer an Kunst- und Werkkunstschulen, wo der Aufbau von Abteilungen wie Produktgestaltung oder Visuelle Kommunikation nach dem Vorbild der Ulmer HfG in dieser Zeit vorangetrieben wurde. Die Integration des Faches „Schreiben“ in den Lehrplan einer Designschule wurde lediglich von der Offenbacher Hochschule übernommen, die sich 1970 in Hochschule für Gestaltung umbenannte. Sie knüpfte damit direkt an die Ulmer Ideen an und engagierte 1974 Gert Kalow um „Sprache und Ästhetik“ zu lehren. Jedoch wurde der Bereich „Sprache und Ästhetik“ nicht als eigenständiger Studiengang etabliert, sondern lediglich als Begleitwissenschaft in den Bereich Visuelle Kommunikation integriert. Der Bereich existiert dort bis heute – jedoch seit 2012 unter dem Titel „Philosophie und Ästhetik“.
6. Publikationen der Hochschule
Die Darstellung der eigenen Ziele und Arbeitsergebnisse war für die Ulmer Hochschule stets ein existenzielles Problem. Als private Institution musste sie sich in größerem Maße als staatliche Schulen um Studenten und um die allgemeine Anerkennung bemühen. Das äußerte sich zunächst in den programmatischen Schriften, die in relativ großen Auflagen vervielfältigt und verteilt wurden.
Dabei liegt der Gedanke nahe, dass Studenten und Absolventen der Informationsabteilung sich dieser Aufgabe annahmen. Das passierte aber nur eingeschränkt.
Zur Eröffnung der Hochschule im Oktober 1955 erschien in der Ulmer „Schwäbischen Donauzeitung“ eine Sonderbeilage mit Texten der ersten Studentin der Informationsabteilung Margit Staber (1955). Diese Veröffentlichung, ein Bericht über den Bau und die Ziele der Hochschule, entsprach recht genau Bills Vorstellung von der Arbeit der Informationsabteilung. Ähnlich verhält es sich mit einem 1955 gedruckten Faltblatt über die Hochschule11 – auch hier stammen die Texte von Margit Staber –, dem ersten gedruckten Programm der Hochschule (erschienen 1956 sowohl in einer englischen und in einer deutschen Ausgabe) wie auch dem ersten Heft der Hochschulzeitschrift ulm von 1959.23 Hier wird die Hochschule, die Arbeit der Abteilungen sowie der Lehrkörper der HfG vorgestellt, in einem nüchtern gehaltenen, dreisprachigen Layout mit zahlreichen Fotos und knappen, beschreibenden Texten. Verantwortlicher Redakteur der ersten fünf Ausgaben der ulm-Hefte war der Soziologe Hanno Kesting, der sowohl fächerübergreifend und also auch in der Informationsabteilung unterrichtete. Die folgenden vier Hefte widmeten sich jeweils einem Thema, meist in Form eines einzelnen Aufsatzes (Neue Entwicklungen in der Industrie und die Ausbildung des Produktgestalters, Fotografie, Visuelle Methodik, Kommunikation und Methodik). Das letzte dieser Serie erschien im Juli 1959, einige Monate später verließ Kesting die Schule, weitere ulm-Hefte erschienen zunächst nicht.
Im März 1961 brachten Studenten der HfG die erste Ausgabe der Studentenzeitschrift output heraus. Die Gründung dieser Zeitschrift fiel in die Zeit des dreijährigen Nicht-Erscheinens von ulm, die Studenten mögen output teilweise als Ersatz gesehen haben (Curdes, 1961). Gestaltung und Konzeption der einzelnen Hefte variieren – die ersten Hefte bestanden aus zusammengetackerten Kopien, später änderte sich das Format und die Ausgaben wurden gedruckt. Die Besetzung der „output”-Redaktion war (abgesehen von einem Generationswechsel Ende 1962) relativ konstant, ihre Mitglieder und die Autoren rekrutierten sich – bis auf eine Ausnahme – nicht aus der Informationsabteilung.
Im output wurden eine Reihe von Themen und internen Problemen wesentlich offener und breiter diskutiert als in den offizielleren ulm-Heften. Teilweise diente die Studentenzeitschrift auch als literarisches Forum, Satirisches in Form von Texten und Bildern wurde abgedruckt. Manche Hefte sind ganz einem einzelnen Thema gewidmet, wie etwa einzelnen Abteilungen (Nr. 3, 4+5, 14), hochschulinternen Diskussionen wie der Abschaffung der Grundlehre (Nr. 6+7) 24 oder der Verfassung der Geschwister-Scholl-Stiftung (Nr. 9). Auch Berufsbilder oder die Art der Ausbildung werden diskutiert (Nr. 11, 13), Vorträge in ganzer Länge oder als Zusammenfassung abgedruckt, Bücher und einzelne Studentenarbeiten besprochen. Auffällig ist die Gründlichkeit, mit der einzelne Themen behandelt werden sowie der ernsthafte Wille, sich mit Vorschlägen und konstruktiver Kritik an Veränderungen zu beteiligen.
Im Kontext der HfG und ihrer ursprünglichen Zielsetzung ist die Existenz dieser Zeitschrift ein wichtiges Indiz dafür, dass die breit gefächerte, abteilungsübergreifende Ausbildung hin zu Demokratie und freier Meinungsäußerung über die Abteilungsgrenzen hinaus ihre Früchte trug – wenn auch nicht immer zum Vergnügen der Hochschulleitung. So führte die kritische Haltung des output und die darin veröffentlichen Beiträge und Kommentare zu konzeptionellen und personellen Entscheidungen innerhalb der Hochschule schon bald zu Konflikten mit der Hochschulleitung, wie etwa bei der Diskussion über die Rolle der Grundlehre an der HfG (Nr. 6+7)24 und im Richtungsstreit Anfang der Sechziger Jahre. Mit der Ausgabe Nummer 26 bricht das Erscheinen von output im November 1964 ab.
Dafür erschien bereits im Oktober 1962 eine neue, die sechste Ausgabe der Zeitschrift ulm mit neuer Konzeption und Gestaltung. Die Redaktion übernahmen diesmal der HfG-Dozent Tomás Maldonado und Gui Bonsiepe. Gui Bonsiepe hatte von 1955 bis 1959 in der Abteilung Information der HfG studiert und sein Studium mit einem Diplom abgeschlossen, später unterrichtete er auch an der Hochschule, allerdings nicht in der Informationsabteilung, sondern in der Produktgestaltung und der Visuellen Kommunikation.
In einer Art Vorwort sind die Ziele der Zeitschrift neu formuliert: „In der neuen Phase (…) wird 'ulm' zwei Ziele anstreben: einerseits die Resultate der HfG in den Bereichen der Pädagogik, Forschung und Entwicklung dokumentieren, sowie auch die theoretischen Grundlagen aufzeigen, mit Hilfe derer eben diese Resultate entstanden sind.” (ulm 6, Seite 1). Eingeführt wurden die Rubriken „Meinungen”, „Ergebnisse aus dem Unterricht”, „Design-Arbeiten von Dozenten”, „Kommentare”, „Tendenzen”, „In Ulm”, „Leute und Ereignisse”. Die Darstellung der Arbeitsergebnisse erfolgte stets in knappen, in erster Linie beschreibenden Texten und sehr sachlichen Fotos beziehungsweise Zeichnungen. Die grafische Gestaltung orientiert sich konsequent an dem vorgegebenen Raster, wodurch das Erscheinungsbild der Zeitschrift sehr stark und unverwechselbar geprägt wird. Diese Einheitlichkeit in der Gestaltung vermittelt auf den ersten Blick eine große Geschlossenheit, die sich im thematischen Bereich nur bedingt fortsetzt. Das letzte Heft der Zeitschrift ulm erschien 1968 zur Schließung der HfG.
Die Autoren von ulm wie von output verstanden ihre Zeitschriften – aus unterschiedlichen Perspektiven und mit unterschiedlichen Intentionen – als Forum für die Diskussion design-relevanter Themen. In der Gestaltung wirkt output oft improvisiert (die Herausgeber mussten ja auch mit wesentlich geringeren finanziellen Mitteln auskommen), aber auch inhaltlich weniger stringent als ihre offizielle Schwester ulm. In beiden findet sich das Bestreben, die Umwelt nicht nur visuell oder im Dreidimensionalen zu gestalten, sondern sich auch sprachlich und intellektuell auseinanderzusetzen, sowohl mit dem eigenen Tun als auch mit der Umwelt und den gesellschaftlichen Zusammenhängen.
7. Absolventen und ihre Lebenswege
Betrachtet man die beruflichen Lebenswege der Absolventen der Abteilung um die Auswirkungen auf den Designdiskurs, -theorie, -rezeption und -dokumentation einzuschätzen, so fällt das Urteil eher ernüchternd aus. Das mag vor allem an der niedrigen Zahl der Absolventen liegen. Von den 15 jemals in die Informationsabteilung eingeschriebenen Studenten, haben sich nur wenige in ihrem beruflichen Leben mit Gestaltung beschäftigt. Margit Staber, die schon in ihrer Studienzeit Informationsmaterial über die HfG verfasste, publizierte später zahlreiche Bücher über Gestaltung und Kunst, nicht nur, aber immer wieder auch über Max Bill.
Der Absolvent mit dem größten designrelevanten Output dürfte Gui Bonsiepe sein, der schon bis 1968 Redakteur für die HfG-eigene Zeitschrift ulm und Dozent für Produktdesign und Visuellen Kommunikation war. Er hat nach dem Ende der HfG mit seinen Designtheorie- und Lehrbüchern den Designdiskurs und die Designvermittlung (design education) in Lateinamerika entscheidend mitgeprägt. Mitte der 1990er Jahre veröffentlichte er seine vor allem in Europa und Lateinamerika einflussreiche Theorie zu Design als Interface Design. Zuletzt veröffentlichte er in Brasilien drei Bände über Theorie und Praxis der Gestaltung.25
Die anderen Absolventen der ersten Generation haben sich, zum Teil nach einem Zweitstudium, sehr erfolgreich wissenschaftlichen Bereichen zugewandt.26 Die Informationsstudenten der zweiten und dritten Generation, die ab den späten 1950er Jahren studiert hatten, wurden in der Mehrheit Autoren und Journalisten.27 Hier ist vor allem Dolf Sass zu nennen, der die von Otl Aicher ursprünglich angestrebte enge Zusammenarbeit zwischen grafischen Gestaltern und Textern umsetzte. Sass schrieb bereits während seines Studiums für die Zeitschrift der Ulmer Volkshochschule. Später verfasste er kritische Texte für das Kundenmagazin der Deutschen Lufthansa „Lufthansa’s Germany“ und arbeitete eng mit HfG-Absolventen aus dem Fachbereich Visuelle Kommunikation zusammen, die für das Layout verantwortlich waren.28 Ab den 1960er Jahren arbeitete Sass für eine Tageszeitung in Ulm. Dort entwickelte er ein neues Redaktionskonzept und koordinierte die Entwicklung einer neuen visuellen Identität für die Zeitung.29
Bemerkenswert ist ferner der Lebensweg von Peter Michels, der als letzter Student in die Abteilung aufgenommen wurde. Er hat Zeit seines Lebens als kritischer und aufklärerischer Journalist gearbeitet. Damit entspricht er genau jener Vorstellung, welche die Gründer der Hochschule am Ende der 1940er Jahre von den Absolventen der damals geplanten politisch orientierten Schule hatten (Oswald, 2012). In seinen Büchern und zahlreichen Radiobeiträgen behandelte er Themen wie den Widerstand gegen Hitler, deutsche Nachkriegseliten und Manager, Studenten- und Antikriegsproteste sowie Frauenrechte. In vielen seiner Berichte befasste er sich mit der Situation von Minderheiten wie Afroamerikanern, amerikanischen Ureinwohnern, Puertoricanern und Mexikanern in den USA sowie mit den Kämpfen von Bergarbeitern, Landarbeitern und Gefängnisinsassen, etc.30
Was bleibt, ist die schwer beweisbare, jedoch naheliegende indirekte Wirkung der Abteilung auf die Schule als Ganzes. Die Wirkung nach innen, auf die klassischen Gestaltungsabteilungen, war durch gemeinsame Lehrveranstaltungen und durch die Lehrtätigkeiten von Informations-Dozenten in der abteilungsübergreifenden „Kulturellen Integration“ gegeben.
Auch hier können wieder exemplarische Werdegänge angeführt werden. So hatte Klaus Krippendorff zunächst in Ulm Produktgestaltung studiert, bevor er ein Zweitstudium der Kommunikationswissenschaften in den USA absolvierte. Während die wissenschaftliche Welt ihn als Urheber von „Krippendorffs Alpha“ kennt – einer Methode der Reliabilitätsmessung in der quantitativen Inhaltsanalyse (Krippendorff, 2004) kennt man ihn in der Design Community durch seine Beiträge zu „Product Semantics“ (Krippendorff 2006) – einem Thema das sich bereits im theoretischen Teil seiner Diplomarbeit von 1961 abzeichnete.31
International weniger bekannt, aber für den Westdeutschen Designdiskurs jahrzehntelang prägend, war Karlheinz Krugs Arbeit als Chefredakteur und Mitherausgeber der Zeitschrift form.32 Krug hatte von 1956 bis 1960 an der HfG Produktgestaltung studiert. Die form war unter seiner Leitung bis in die 1990er Jahre die einzige regelmäßige westdeutsche Publikation in der fundiert über Produktdesign berichtet und diskutiert wurde. Auch andere HfG-Absolventen schrieben für die form und berichteten unter anderem über ihre eigenen Entwürfe und Projekte. Zwei Alumni der Abteilung Information schrieben für die Zeitschrift: Gui Bonsiepe und Margit Staber. Bonsiepe veröffentlichte regelmäßig sogenannte Produktkritiken. Staber beschäftigte sich mit dem Thema Design im Allgemeinen und schrieb über die Arbeiten von Max Bill und Henry van der Velde, oder berichtete über die Mailänder Triennale. HfG-Alumni aus anderen Abteilungen der HfG, die in der form über Theorie und Geschichte des Designs schrieben, waren Gerda Müller-Krauspe, Herbert Lindinger und Martin Krampen.
Obwohl es - mit Ausnahme von Max Bill - nicht unbedingt der ausdrückliche Wunsch der HfG-Gründer war, Designjournalisten auszubilden, kann man von einem starken Einfluss der Dozenten der Informationsabteilung auf diese Karrieren ausgehen - sei es direkt in der Abteilung oder indirekt durch ihren Einfluss auf das intellektuelle Klima der Schule.
8. Zur Bedeutung der Informationsabteilung an der HfG
Misst man den Erfolg der Abteilung an der Anzahl der Absolventen, die deutliche Spuren im Designdiskurs hinterlassen haben, fällt das Ergebnis recht mager aus. Die Abteilung hat es nie geschafft, eine größere Anzahl von Studierenden anzuziehen, die sich ein verbal orientiertes Studium an einer Gestaltungshochschule vorstellen konnten. Und von den wenigen Absolventen haben anschließend noch weniger in den anvisierten (intendierten) Bereichen gearbeitet. An den eigenen Zielen gemessen, und verglichen mit den anderen Abteilungen, war die Abteilung demnach ein failure. Die größere Wirkung der Abteilung Information war ihre Wirkung nach innen, die sie als geschrumpfter, übriggebliebener Kern der ursprünglich geplanten politischen Schule auf die Haltung der dort ausgebildeten Designer hatte: Gestaltung als gesellschaftsrelevante, gesellschaftsprägende und mitunter intellektuelle Tätigkeit – abseits von Kunsthandwerk, Propaganda und Dekoration.
Otl Aicher sprach bereits um 1951 von der Abteilung Information als „Bindeglied“: „die ausbildungsabteilung ‚information’ erweist sich als bindeglied zwischen den ausbildungsabteilungen und der allgemeinbildung. die lehrkräft dieser abteilung wirken in stärkerem maße am unterricht der allgemeinbildung mit als die anderen abteilungen.“ 33
Die Ulmer Hochschule strebte von vornherein eine allumfassende Gestaltung des modernen industriellen Lebens an. Im kommunikativ-medialen Bereich gehörten dazu nicht nur Printmedien und Radio, sondern auch die Auseinandersetzung mit den damals neuen Medien Film und Fernsehen – wobei alle Massenmedien an der HfG auch vor der Folie des Dritten Reiches und seiner manipulativen Wirkungsmöglichkeiten gesehen wurden, was zu einem Bestreben nach möglichst „objektiver“ Darstellungsart führte. (Wachsmann, 1991)
In diesem Kontext ist die Entwicklung der Abteilung Information an der HfG bis hin zur Gründung der Filmabteilung als ein Versuch zu sehen, massenmediale Phänomene mit der in Deutschland noch wenig etablierten Staatsform der Demokratie in Einklang zu bringen.
Die Umsetzung dieser Ideen unter Bense und Kalow erwies sich auch deshalb als schwierig, weil die Konzepte zahlreiche Unschärfen enthielten – nicht zuletzt in Bezug auf die möglichen Berufswege der Absolventen. Dabei entstand die größte Unschärfe wahrscheinlich durch Benses thematischer Verschiebung und Erweiterung: Einerseits stieg dadurch das Niveau der Auseinandersetzung mit Kunstgeschichte, Philosophie, Wissenschaftstheorie, andererseits war dadurch das vorher vergleichsweise klare publizistisch-angewandte Berufsbild verschwunden. Innerhalb der HfG wurde die Informationsabteilung in den Sechziger Jahre abfällig als „Dichterschule“ bezeichnet. Das wirft weniger ein schlechtes Licht auf die Abteilung selbst als auf die Erfinder dieser Bezeichnung, auf deren eigene Berührungsängste mit Sprache und Literatur. Vor allem zeigt sich hier die Entfremdung zwischen den Beteiligten des Richtungsstreits an der HfG von 1962, bei dem sich am Ende die „angewandte“ Gestalter gegen „theoretische“ Wissenschaftler durchsetzten. In diesem Streit wurde der sprachlich-verbale Bereich allein der Wissenschaft oder der Kunst zugeordnet. Ihre Dimension als Kommunikationsmittel in eben diesem angewandten Bereich wurde verdrängt 34 und auch von den Informationsabsolventen selbst nicht mehr wahr genommen.35 Die Auseinandersetzungen um die Richtung der Schule Anfang der 1960er Jahre verhinderten somit die konzeptionelle Weiterentwicklung der Abteilung in Richtung einer Integration verbaler und visueller Kommunikation in einer Hochschule. Dieser Wunsch nach einem ganzheitlichen Herangehen an Kommunikation scheint auch heute noch aktuell. Eine Integration von Fächern wie Sprache und Textierung in den Unterricht an Design-Hochschulen wäre aus mehreren Gründen sinnvoll. Bekanntermaßen müssen Gestalter ihre Entwürfe nicht nur entwerfen, sondern auch begründen und verargumentieren – mitunter eine sprachlich-intellektuelle Angelegenheit. Dem Designdiskurs und der Designtheorie würde eine größere Sprach- und Text-Kompetenz der Designer sicher auch heute noch zu Gute kommen. Und nicht zuletzt ließe sich durch ein visuell-verbales Studienprogramm die Lese- und Schreibphobie einiger Grafik-Designer abmildern – größere Kommunikationsfähigkeit und weniger oberflächliche Formalismem wären ein erstrebenswertes Ziel. Otl Aicher war in seiner Praxis zwar keineswegs frei von Formalismen – im Gegenteil. Jedoch stand für ihn die Relevanz von Inhalten und sprachlicher Qualität nie zur Frage. Sein Versuch von 1963, die Abteilung noch einmal neu zu beleben, war folgerichtig, konnte aber angesichts der Existenzkrise der Ulmer HfG und ihrer Schließung 1968 nicht mehr erfolgreich sein.
9. Erkenntnisse für die Designausbildung heute
Die Ulmer Hochschule für Gestaltung war die erste Hochschule in Deutschland, die einen Studiengang „Visuelle Kommunikation“ nannte - anstelle von „Grafikdesign". Dies war ein bewusster Schritt in Richtung eines ganzheitlichen, medienneutralen und menschenorientierten Ansatzes. Denn während es beim Grafikdesign um „Tinte auf Papier“ geht, geht es bei der Visuellen Kommunikation um den Prozess der Kommunikation, also um den medialen Austausch von Informationen zwischen Menschen. Heute würde ein Studiengang in einer Abteilung Information höchstwahrscheinlich „Verbale Kommunikation“ heißen. Ob ein solcher Studiengang, der sich mit Text und Sprache befasst und an einem Designfachbereich angesiedelt wäre, heute auf mehr studentisches Interesse stoßen würde als damals in Ulm, müsste in der Praxis überprüft werden. In den letzten Jahren [Stand 2015, Anm. des Herausgebers] wurden zumindest im deutschsprachigen Raum einige vielversprechende Hybridstudiengänge eingeführt, die visuelle, verbale, konzeptionelle, naturwissenschaftliche und/oder technische Fächer kombinieren: Medienkonzeption,36 Cast,37 Technische Redaktion,38 und natürlich Studiengänge im wachsenden Bereich der Designforschung.39 Neben diesen Ansätzen erscheint eine stärkere Integration verbaler Kompetenzen in die Kommunikationsdesign-Studiengänge ratsam. Es mag selbstverständlich klingen, dass effektives Kommunikationsdesign Inhalt und Form berücksichtigen sollte. Dennoch basiert die akademische Landschaft auf dieser vermeintlichen Dichotomie. Wenn der Begriff Kommunikationsdesign ernst genommen werden soll, muss diese Dichotomie aufgelöst werden, zugunsten einer ganzheitlicheren Betrachtung aller Aspekte von Kommunikation in integrierten Studiengängen. Andernfalls läuft „Kommunikationsdesign“ Gefahr, auf oberflächliche Hilfsdienste reduziert zu werden.
Der vorliegende Text ist ein Journal-Artikel (siehe "Zitation" unten), der auf Basis des Beitrags „Die Abteilung Information der HfG Ulm. Vorgeschichte und Entwicklung“ erweitert und überarbeitet wurde. bereits der Original Beitrag basiert in weiten Teilen auf bereits veröffentlichten Artikeln von Christiane Wachsmann und David Oswald: „Wortverlust oder die Herrschaft der Bilder“ (Wachsmann, 1991) „The Information Department at the Ulm School of Design“ (Oswald, 2012). Diese wurden für den Rückblicke-Band von 2015 zusammengefasst und erweitert von Christiane Wachsmann. Einige Ergänzungen, vor allem zur Studiensituation der zweiten und dritten Generation, hat damals Petra Kellner beigetragen.
Zitation
Zitation des englischsprachigen Artikels: Christiane Wachsmann, David Oswald „Writing as a Design Discipline – The Information Department of the Ulm School of Design and its Impact on the School and Beyond“ AIS/Design. Storia e Ricerche, No. 6, December 2015. E-Journal of the Italian Association of Design Historians, Special issue on „Designers and Writing in the Twentieth Century“, edited by Fiorella Bulegato, Maddalena Dalla Mura and Carlo Vinti. Milano, Italy